Der mächtigste Rapper der Welt hat in der Hamburger O2 World eine starke Show abgeliefert. Er zeigte sich als stimmgewaltiger und ernsthafter Rapper mit Sinn für Dramaturgie. Das Volk war zufrieden.

Hamburg. Jay-Z wählt den Königsauftritt. Gemessenen Schrittes kommt er durch die Mitte nach vorn an den Bühnenrand. Kronen trägt der Hip-Hop-Adlige nicht, die Baseball-Kappe ist mit dem Schirm nach hinten gedreht. Imposant wirken die Goldketten über seinem schwarzen T-Shirt. Billiger Modeschmuck wird es kaum sein, immerhin wird sein Vermögen auf mehr als 500 Millionen Dollar geschätzt.

Aber überheblich kommt der Hip-Hop-Künstler aus New York nicht rüber, obwohl Shawn Carter, so sein bürgerlicher Name, derzeit der mächtigste und reichste Rapper ist. Er weiß, dass er die Königsposition nur durch diejenigen erreicht hat, die bereit sind, 80 Euro für eine Karte zu bezahlen und die seine Platten kaufen. 10.200 Fans sind an diesem Abend in die nicht ganz ausverkaufte O2 World gekommen, Tonträger hat Jay-Z in seiner Karriere mehr als 50 Millionen Stück an den Fan gebracht.

Die Bühne besteht aus hohen Stahlgerüsten, auf denen seine vier Musiker platziert sind, Jay-Z tigert am vorderen Bühnenrand mit dem Mikro in der Hand von links nach rechts. Nach dem Intro beginnt er die 105 Minuten lange Show mit „U Don’t Know“ vom Album „Blueprint“, einem Song, in dem er schon vor zwölf Jahren klar gemacht hat, wer der Beste in Hip-Hop-Land ist. Inzwischen hat er sich die sprichwörtliche Krone selber aufgesetzt, „Crown“ vom aktuellen Werk „Magna Carta Holy Grail“ gibt es im Anschluss. Die Fans begrüßen Jay-Z mit einem Zeichen, bei dem sie die Hände zu einem Dreieck formen, der Rapper antwortet mit demselben Zeichen. „Diamond“, also Diamant, bedeutet es.

Jay-Z, in armen Verhältnissen in einer Sozialbausiedlung in Brooklyn aufgewachsen, liebt Luxus und Symbole. Auf der Rückseite seines T-Shirts prangt ein großes weißes Kreuz. Immer wieder dreht er sich um und präsentiert es den Fans. Es erinnert an mittelalterliche Kreuzritter auf der Suche nach dem Heiligen Gral, ein Sinnbild, das Jay-Z als Titel für sein aktuelles Album gewählt hat. Die Videoprojektionen, die in schneller Folge über die Leinwände flimmern, geben keinen weiteren Aufschluss über die tiefere Bedeutung des Kreuzes für Jay-Z. Die immer wieder auftauchenden Bilder von Radargeräten, Satelliten und Überwachungskameras wirken fast wie ein aktueller Kommentar zur NSA-Affäre, doch diesen politischen Weitblick traut man Jay-Z kaum zu, außerdem ist er ein guter Bekannter des amerikanischen Präsidenten.

Bei „On To The Next One“ geht die ohnehin große Begeisterung der Fans in kollektives Ausflippen über, wer im Parkett und auf den Rängen nicht ausgelassen zu dem schnellen Beat tanzt, filmt den Auftritt mit seinem Smartphone. Hunderte von Fans scheinen die ganze Show ohnehin nur durch den Sucher ihres Handys zu verfolgen. Jay-Z rappt sich im Höchsttempo durch sein Programm, bei Songs wie „Picasso Baby“ und „Nigga What, Nigga Who“ müssen zwei Verse reichen, um anscheinend schnell fertig zu werden. Zwischendrin überlässt er die Bühne auch noch seinem Freund Timbo. Dahinter verbirgt sich der schwergewichtige Timbaland, der unter anderem die Alben von Justin Timberlake produziert hat. In Jay-Zs Show gehört er als einer von zwei Keyboardern zur Band, seinen Solopart beginnt er mit dem Intro zu „I Can’t Stand The Rain“, 1984 von Tina Turner zum Hit gemacht. Nach nur 65 Minuten hat Jay-Z schon 23 Songs abgearbeitet und verschwindet in seinen Backstage-Gemächern. Doch es gibt Nachschlag. „Encore“ (Zugabe) heißt die erste Nummer, jetzt beginnt der Teil, in dem der König sich intensiv seinen Untertanen widmet. Mithilfe eines Kameramanns sucht Jay-Z die originellsten T-Shirts, die meisten davon sind natürlich irgendwann einmal an seinem eigenen Merchandising-Stand verkauft worden. Auch zwei Deutschland-Flaggen lässt er sich reichen und breitet sie auf der Bühne aus. Den Fans gefällt auch dieser kommunikative Programmpunkt. Jay-Z zeigt sich von seiner freundlichsten Seite, bedankt sich für die Gastfreundschaft, die ihm in Hamburg entgegengebracht wurde, stellt seine Musiker vor und macht dann mit einem Song weiter, bei dem er das Publikum in seine Stadt einlädt: „Empire State Of Mind“ ist seine Hommage an New York und der Auftakt zu vier weiteren Nummern.

Mit diesem kompakten Auftritt hat der geschäftstüchtige Musikmogul aus Brooklyn gezeigt, warum er die Nummer eins im Hip-Hop ist. Er zeigt sich als stimmgewaltiger und ernsthafter Rapper, er hat Sinn für Dramaturgie, er findet Nähe zu seinem Publikum, Bühne und Band sind vorzüglich gestaltet und ausgewählt. Dass der Schlusspunkt etwas Feierliches in sich birgt, verdankt Jay-Z letztlich seinen Fans. Zu „Forever Young“, einem Coversong der deutschen Elektro-Popband Alphaville, leuchten Tausende von Handyanzeigen auf und tauchen die Arena in helles Licht.

Der König darf abtreten, das Volk ist zufrieden.