Die Kunsthalle zeigt 100 Zeichnungen des Italieners Stefano della Bella in einer Kooperation mit den Uffizien

Kunsthalle. Man sollte eine Lupe mitnehmen, denn manche Details sind so fein gezeichnet, dass sie sich mit bloßem Auge kaum erkennen lassen. Etwa auf der Federzeichnung „Perseus und Andromeda“, die um 1644 als Entwurf für ein Kartenspiel entstanden ist, das der französische König Ludwig XIV. erhalten hat. Zurzeit stellt die Hamburger Kunsthalle das zeichnerische Werk des Italieners Stefano della Bella (1610–1664) in einer umfassenden Retrospektive vor. Ausstellungen zu seinem Radierwerk hat es mehrfach gegeben, eine Retrospektive des zeichnerischen Œuvres erstaunlicherweise nicht. Da die Kunsthalle dank eines 1967 erfolgten spektakulären Ankaufs über den weltweit drittgrößten Bestand an Zeichnungen verfügt, erwies sich eine Kooperation mit den Uffizien als möglich, sodass jetzt 100 Blätter gezeigt werden können, die neben Florenz auch aus dem Louvre, dem Britischen Museum und weiteren bedeutenden europäischen Sammlungen stammen.

Stefano della Bella hat Mensch und Tier gezeichnet, Krieg und Frieden

Stefano della Bella galt schon zu Lebzeiten als prominenter Künstler, der für so prominente Auftraggeber wie die Familie Medici und die französischen Könige arbeitete. Heute gilt der Florentiner, der lange Zeit auch in Rom und Paris gewirkt hat, als einer der besten italienischen Zeichner des 17. Jahrhunderts. Bestechend ist die Eleganz seiner Linie, das Gefühl für den Raum und die Lebendigkeit seiner Kompositionen. Erstaunlich, wie es dem Künstler, der selbst nur eine Hand voll Gemälde hinterlassen hat, gelungen ist, seinen Zeichnungen ein so malerisches Gepräge zu verleihen. Etwa in den Blättern, die antike Stätten in Rom zeigen, oder auf der großartigen, mehr als einen Meter breiten Vedute seiner Heimatstadt Florenz. Auf dieser in den 1650er-Jahren entstandenen, aus drei Blättern zusammengefügten Federzeichnung sind die bekannten Bauwerke wie der Dom (mit damals noch unvollendeter Fassade) oder der Palazzo Vecchio topografisch korrekt wiedergegeben, dennoch unterscheidet sich diese Darstellung aufgrund ihrer malerischen Auffassung ganz erheblich von den vergleichsweise steifen Stadtansichten, die Matthäus Merian ebenfalls in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts geschaffen hat.

Die Ausstellung zeigt, dass Stefano della Bella thematisch ganz und gar nicht festgelegt war. Er hat nahezu alles gezeichnet: Mensch und Tier, Krieg und Frieden, religiöse und mythologische Motive, Ornamente und Wappen oder Themen aus Wissenschaft und Literatur. Und manchmal war er auch zur Stelle, wenn sich Sensationelles ereignete. Zum Beispiel am 9. November 1655, als er mindestens drei Zeichnungen schuf, die einen toten Elefanten zeigen, der an diesem Tag in Florenz starb. Es handelt sich um den europaweit bekannten Elefanten Hansken. Er stammte aus Ceylon und wurde jahrzehntelang in Deutschland, Frankreich, Italien, der Schweiz und Dänemark öffentlich als Sensation zur Schau gestellt. 1638 hatte Hansken auch das Hamburger Publikum mit seiner exotischen Gestalt und allerlei Kunststücken verblüfft. Auf einer der Zeichnungen ist zu sehen, wie Menschen den toten Körper aus nächster Nähe betrachten. Kurator David Klemm schreibt im Katalog dazu: „Della Bella veranschaulicht somit eine durchaus verständliche, aber doch auch voyeuristische Neugier einzelner Betrachter, während er selbst bewusst eine respektvolle räumliche Distanz wahrt.“

„Von der Schönheit der Linie" Stefano della Bella als Zeichner. Bis 26.1. 2014, Di–So 10.00–18.00, Do bis 21.00, Hamburger Kunsthalle Kuppelsaal (U/S Hbf.), Glockengießerwall, Katalog 29,80 €; Infos www.hamburger-kunsthalle.de