Regisseur David Alden inszeniert drei Frühwerke des Komponisten an der Staatsoper

Hamburg. Dafür, dass er drei Opern-Premieren im Zeitraum von nur vier Wochen auf der Uhr hat, sieht der Regisseur David Alden noch halbwegs entspannt aus. Kurz nach Verdis 200. Geburtstag gratuliert die Hamburgische Staatsoper dem Jubilar nicht etwa mit „Rigoletto“, „Trovatore“, „Traviata“, den erwartbaren Publikumslieblingen der „trilogia popolare“, sondern mit einer Art „trilogia speziale“ – drei selten bis so gut wie gar nicht gespielten Frühwerken aus den „Galeerenjahren“ Verdis, die mit den beliebten Opernthemen Macht, Politik, Liebe und Gewalt zu tun haben. Der gebürtige New Yorker Alden, seit vier Jahrzehnten gut im internationalen Opernbusiness gebucht, debütiert damit an der Dammtorstraße, Simone Young dirigiert.

Hamburger Abendblatt:

Drei Raritäten auf einen Schlag, ist das für Sie als Regisseur mehr Stress oder eher eine Erleichterung, weil die eh niemand kennt?

David Alden:

Das ist für mich egal. Man muss immer so proben, als hätte man etwas völlig Neues vor sich. Immer alles vergessen und bei null anfangen, so muss es sein. Ich kann da fast wie ein Kind herangehen: Alles ist neu, ich bin nervös und gespannt.

Und dann noch Stücke, die – anders als die vier von Wagners „Ring“ – nichts miteinander zu tun haben …

Alden:

Das war meine Idee. Simone Young hatte mich vor drei, vier Jahren angerufen. Sie wollte etwas von Verdi machen, „Nabucco“ vielleicht. Ich habe ihr gesagt, es ist Verdi-Jubiläumsjahr, lass uns etwas Besonderes machen. Lass uns nicht nur eins, sondern drei weniger bekannte Stücke machen, dann ist es wirklich ein Fest für die Zuschauer. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob Verdi sich dafür bedanken würde, denn er hat sich über seine früheren Stücke oft nur negativ geäußert.

Können Sie nachvollziehen, wieso diese drei Opern so selten auf die Bühne gebracht werden?

Alden:

Ja, schon. Das Problem mit „Foscari“ ist, dass es so düster ist, so traurig. Die Farbe ist so dunkel, kein reines Vergnügen fürs Publikum.

Das mag sein, aber die „Götterdämmerung“ ist ja bekanntlich auch kein Streichelzoo.

Alden:

Aber da gibt es viel mehr Kontraste. Verdi hat so viele Opern geschrieben, es gibt mindestens zehn, die unglaublich bekannt und beliebt sind. Man denkt oft, dass die unbekannteren zu rau sind und zu klischeebeladen. Zu viel Routine. Aber das ist wirklich nicht wahr. Man erkennt, dass er in jedem Stück neue Impulse gefunden hat. Alle sind interessant, alle sind spielbar.

Was lässt sich zu diesen frühen Verdi-Opern sagen, was zeichnet sie besonders aus?

Alden:

„Battaglia di Legnano“ ist seine Oper zur Wiedervereinigung Italiens. Es gab damals für einen kurzen Zeitraum große Hoffnung. Auf eine Weise ist das Libretto wirklich furchtbar – so viel „Viva Italia“, „la patria“, wirklich fast unerträglich und blöd. Aber andererseits ist es sehr interessant, das zu spielen, diese Spannung zwischen Politik und einem Familiendrama. Manchmal habe ich Spaß daran, ein relativ schlimmes Libretto auf die Bühne zu bringen, denn davon kann man viel lernen. „Foscari“ ist ein viel intimeres Drama, sehr eng, total anders. Und wirklich gut, basierend auf einem Stück von Byron. Es lohnt sich. Alle drei Stücke sind Problemstücke, keines ist ein totaler Hit. Und „Lombardi“? Da sind wir in der Frühphase von Verdis Karriere. Nach dem Erfolg von „Nabucco“ an der Scala wollte er sofort eine sehr ähnliche Oper schreiben. Dieses Stück ist nicht so gut, „Nabucco“ ist irgendwie tougher. Und das Kreuzzugs-Thema von „Lombardi“ ist so furchtbar. Es ist furchtbar, lächerlich, unerträglich, wie die Kreuzritter die Leute schlachten.

Eine prima Gelegenheit, um als Konzept-Brandbeschleuniger die gute alte Kettensäge herauszuholen, mit der Sie 1984 eine „Mazeppa“-Inszenierung in London spektakulär aufgemischt haben.

Alden:

Nein, das mache ich nicht. Das ist schon längst vorbei.

Sie stellen die drei Stücke in einen einheitlichen Raum und behandeln den Chor auf spezielle Weise, aber gibt es keinen roten Faden?

Alden:

Nicht wirklich. Nur den optischen. Aber vielleicht ist das italienische Unterbewusstsein der rote Faden – einmal fanatischer Patriotismus, einmal eine leidende Familie und einmal dieser Kreuzritter-Bullshit im Namen von Religion.

In der Opernbranche galten Sie lange als „angry young man“ …

Alden:

Mag sein, aber jemand hat mich neulich schon Altmeister genannt.

Trotzdem: Ist das noch so, dass Ihnen dieser Ruf vorauseilt – alle in Deckung, Alden kommt, der ist ständig unter Druck und macht erst mal alles kaputt?

Alden:

Die haben recht. Meine Inszenierungen sind zwar ganz anders als früher, aber ich bin immer noch wütend. Mein Stil hat sich entwickelt.

Kennen Sie das deutsche Wort Altersmilde?

Alden:

Ja, aber die habe ich nicht. Und ich fühle mich nicht alt. Ich bin, was ich immer war, mit fast der gleichen Energie.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Alden:

Die nächste Inszenierung ist Rossinis „La gazza ladra“ in Frankfurt, ein sehr interessantes Stück.

Nicht ganz so gewalttätig.

Alden:

Das ist ein furchtbares Stück, wie von Kafka, es basiert auf einem wahren Kriminalfall. Dann bereite ich eine „Chowanschtschina“ für Antwerpen vor und einen „Otello“ an der English National Opera. Ich hatte zehn Jahre lang vor allem eine Barock-Phase – Händel, Monteverdi, Cavalli –, und jetzt bin ich eher in einer Frühes-19.-Jahrhundert-Phase.

Wissen Sie noch, wie viele Opern Sie schon inszeniert haben?

Alden:

Keine Ahnung. Ich habe nicht nur viele Stücke inszeniert, sondern viele auch mehrmals.

Ihr Zwillingsbruder Christopher ist ebenfalls ein international gefragter Opernregisseur. Gibt es einen familieninternen Wettstreit, wer mehr Produktionen im Lebenslauf vorzuweisen hat als der andere?

Alden:

Da wird niemand der Bessere sein. Man kann so einen Kampf auch nicht gewinnen.

Und wenn Sie in einem Satz zusammenfassen müssten, was typisch für eine David-Alden-Regie ist?

Alden:

Intensives Acting mit einem Gefühl fürs Melodramatische. Ich mag es wirklich, wenn ein Sänger direkt zum Publikum singt. Fast wie in einer griechische Tragödie. Dass man seine Gefühle fast herausschreit, darum geht es mir.

„Verdi im Visier“: „La Battaglia di Legnano“: Premiere 20.10. / „I due Foscari“: Premiere 27.10. / „I Lombardi alla prima Crociata“: Premiere 11.11., Staatsoper (U Stephansplatz), Dammtorstraße, Infos und Karten unter www.staatsoper-hamburg.de