Der Verein Leben mit Behinderung diskutierte über Kulturgenuss für alle und kam zu dem Ergebnis: Es bleibt viel zu tun

Hamburg. Kann man wirklich und grundsätzlich „Kultur für alle“ fordern? Man muss es sogar, findet Martin Eckert. Ein Abend bei der Hamburger Gemeinschaftsstiftung für behinderte Menschen, eingeladen war in Kooperation mit der Patriotischen Gesellschaft zum Themenabend „Hamburgs Kulturszene – ein Club für Eliten oder Kulturgenuss für alle?“ Eckert war als Geschäftsführer des Vereins „Leben mit Behinderung“ Gastgeber, seine Gäste kamen aus Politik und Sozialarbeit.

Diese sahen die Möglichkeiten, die Menschen mit Behinderungen in Hamburg haben, als relativ begrenzt an. Am Kulturleben können die tatsächlich nur teilweise teilnehmen. Mal gibt es nicht genügend Stellplätze für Rollstühle, mal darf der Blinden-Führhund nicht mit ins Theater. Barrierefrei sind Kulturhäuser oft auch nicht. Und Audiodeskription, also eine Art akustische Bildbeschreibung, wird in Theatern nur sehr selten angeboten. Kein Wunder, dass Interessengruppen nun auch die Kulturtaxe ins Gespräch bringen, mit deren Einnahmen die Teilhabe von Behinderten verbessert werden soll.

Angelika Antefuhr vom Hamburger Blindenverband führte aus, dass das Thema Inklusion gerade auch im Kulturleben der Stadt viel zu kurz komme, sie sieht das Problem aber auch in der grundsätzlichen Intoleranz der „normalen“ Kulturnutzer: „Menschen mit Behinderungen, die motorisch unruhig sind oder Laute von sich geben, sind oft nicht gerne gesehen in Kultureinrichtungen.“

Was durchaus stimmen mag, aber viele Museen und Theater in Hamburg nicht davon abhält, sich an einem bundesweit einmaligen Projekt zu beteiligen. Der Hamburger Kulturschlüssel ermöglicht es Menschen mit Behinderung, mit freiwilligen Begleitern in die Vorstellung oder Ausstellung zu gehen. 250 Gehandicapte, die das Angebot nutzen, und 100 Helfer befinden sich in der Kartei des Kulturschlüssels. Der Beitrag der Kulturhäuser besteht im Bereitstellen von Freikarten für die ehrenamtlichen Begleiter. Genau an diesen Freikarten mangele es aber noch, sagte Frank Nestler vom Kulturschlüssel – und die Finanzierung des Projekts sei keinesfalls langfristig gesichert.

Folgt man den Ausführungen der Diskussions-Teilnehmer, ist der Kulturschlüssel zwar eine tolle Sache, hat aber mit der Lust der Behinderten nichts zu tun, den Besuch einer Kulturstätte selbstständig zu bewältigen. Weshalb aus Sicht der Interessensgruppen viel zu tun bleibt. Von der Politik bekommen sie bei ihren Ansinnen Unterstützung, aber auch die unmissverständliche Aufforderung, „den Politikern in den Hintern zu treten“, wie Katharina Fegebank, Landesvorsitzende der Grünen, sich ausdrückte. Zuletzt hätte sich ihre Partei intensiv mit dem Thema Inklusion beschäftigt – auch auf ihr Drängen hin seien die Bereiche Kultur und Sport nun im Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention stärker vertreten.

So zeigten am Ende alle Beteiligten viel guten Willen. Wolfgang Rose, der für die SPD im Kulturausschuss der Bürgerschaft sitzt, wies darauf hin, dass der Inklusions-Gedanke, „der Gesamtidee einer solidarischen Stadt“ entspräche. Ingrid Körner, die Senatsbeauftragte für die Gleichstellung behinderter Menschen, appellierte an alle Betroffenen, ihr mitzuteilen, was in den Landesaktionsplan alles hinein gehöre.

Klingt doch alles ganz gut. Vielleicht müssen aber auch einfach die Theater, Museen und Konzerthäuser von sich aus in Aktion treten: Auch wenn behindertengerechte Kulturdarbietungen immer auch eine Kostenfrage sind.