Episodische Tragikomödie „Finsterworld“: ein düsteres Gesellschaftspanorama von Franziska Finsterwalder

Deutscher Wald im gebrochenen Sonnenlicht, heile Schöne-Welt-Bilder untermalt mit Cat Stevens’ „I listen to the wind, to the wind of my soul“. Frauke Finsterwalders grandioses Spielfilmdebüt „Finsterworld“ hebt an mit einer Idylle, die abrupt ins Unheimliche kippt. Ein verletzter Rabe hüpft krächzend durchs Unterholz, ein Mann, kaum zu erkennen, verfolgt das Tier. Sekunden der Unsicherheit, welche Absichten der Verfolger haben könnte, verflüchtigen sich. Er ist ein Helfer, Einsiedler (Johannes Krisch), nimmt sich des Raben an. Alles wird gut werden. Denkste. Alles kippt.

Es ist eine perfide, garstige Welt, ein doppelbödiges Abbild deutscher Befindlichkeit, die die als Dokumentarfilmerin bekannt gewordene Frauke Finsterwalder gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Christian Kracht, ersonnen hat. „Finsterworld“ ist angelegt als episodische Tragikomödie, in der die wenigen Hoffnungs- und Sympathieträger scheitern oder in die Irre gehen.

So wie Fußpfleger Claude (wunderbar: Michael Maertens), der sich frohgemut auf den Weg zu seiner Lieblingskundin Frau Sandberg (Margit Carstensen) macht. Weil Claude während der Autofahrt telefoniert, wird er von Polizist Tom (Ronald Zehrfeld) angehalten. Claude kommt ohne Strafmandat davon, indem er Tom mit diversen Fußcremes besticht. Sehr viel später sollen Claudes exzentrische Neigungen für eine fatale Wendung sorgen. Dabei schien alles gerade so hoffnungsvoll, das Band zwischen ihm und der von ihrer Familie vernachlässigten, völlig vereinsamten Seniorin schien geknüpft.

Auch Polizist Tom hat eine ungewöhnliche Neigung, die er lieber verbirgt. Tom ist ein Furry, jemand, der Tierkostüme trägt. Heimlich trifft er sich mit Gleichgesinnten. Als seine Lebensgefährtin hinter sein Geheimnis kommt, wird sie hysterisch. Kein Wunder, Franziska Feldenhoven (Sandra Hüller) kreist nur um sich selbst und ihre verlogenen Dokumentarfilme.

Unaufhaltsam lässt Frauke Finsterwalder die fünf Handlungsstränge hinter ihren gelackten Sommerbildern zu einem düsteren Gesellschaftspanorama zusammenfließen, in dem Einsamkeit, Ängste, Dekadenz, Gemeinheit und Ungerechtigkeit viel zu lange unter der Oberfläche gärten.

Und so kann der Tod eines Raben eine Katastrophe auslösen.

Bewertung: empfehlenswert

„Finsterworld“ D 2013, 91 Min., ab 12 J., R: Frauke Finsterwalder, D: Corinna Harfouch, Bernhard Schütz, täglich im Abaton, Zeise; www.finsterworld.de