Sänger und Komponist Achim Reichel gibt in der Laeiszhalle das 100. Konzert seines „Solo für Euch“-Programms

Laeiszhalle. Als Abschluss seiner „Solo für Euch“-Tournee hatte Achim Reichel sich vor einem Jahr etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Der letzte seiner Storyteller-Auftritte sollte mit einer kurzen Seereise nach Helgoland verbunden sein. Auf der Nordseeinsel wollte er noch einmal Döntjes aus seinem 50 Jahre dauernden Musikerleben erzählen. Nach dem Auftritt in der Nordseehalle sagte sein Weggefährte und Akkordeonist Berry Sarluis: „Achim, nur noch 16 Konzerte, dann haben wir die 100 voll!“

Also hat sich der blonde Sänger, Gitarrist und Erzähler in diesem Herbst noch einmal auf die Straße begeben, um die 100 vollzumachen. An diesem Freitag ist mit dem Auftritt in der Laeiszhalle nun endlich Schluss mit der öffentlichen Rückschau auf ein bewegtes Leben. „War schon eine dolle Erfahrung, 100 Konzerte mit einem Programm zu machen“, sagt er. „Andere bereisen damit die ganze Welt.“ Aber Reichel, 1944 in Wentorf vor den Toren Hamburgs geboren und auf St. Pauli aufgewachsen, hat sich spätestens seit den frühen 70er-Jahren als deutscher Künstler verstanden.

„Ich hatte irgendwann die Nase voll davon, dass die Rattles immer als ,die deutschen Beatles‘ bezeichnet wurden. Ich wollte etwas Eigenständiges machen“, erzählt er. Die Einberufung zur Bundeswehr beendete 1967 seine Karriere als Beat-Musiker, mit der Psychedelia-Popband Wonderland setzte er seine Karriere fort, um dann in die Gefilde des Krautrock vorzudringen. Bewusstseinserweiternde Stimulanzien halfen den Sound von A.R. & Machines auf dem Album „Die grüne Reise“ zu entwickeln. „Vielleicht sind wir damals etwas über das Ziel hinausgeschossen“, sagt Reichel heute über diesen Ausflug in diese drogengeschwängerte Klangwelt. In England aber gilt die Platte heute als eine wegbereitende Aufnahme in Richtung Trance und elektronischer Popmusik.

Es gibt nicht viele Musiker in Deutschland, die sich immer wieder neu erfunden haben wie Reichel und die so viele künstlerische Wagnisse eingegangen sind. Als „Kolumbus der Rockmusik“ hat die Journalistin Ingeborg Schober Reichel für seine Experimentierfreudigkeit bezeichnet. Reichel hat Musik mit mittelalterlichen Gedichten für die Gruppe Ougenweide produziert, deutsche Balladen und Shantys gesungen, Texte von Schriftstellern wie Jörg Fauser und Kiev Stingl vertont. Das war Anfang der 80er-Jahre, als die Neue Deutsche Welle entstand. Reichel war damals seiner Zeit wieder einmal ein Stück voraus. „Aber mich hatten sie damals nicht auf dem Zettel. Ich war ja Old School“, sagt er. „Nachtexpress“ und „Blues in Blond“ mit dem Hit „Der Spieler“ hießen damals seine erfolgreichen Alben.

Auf der Bühne erzählt er auch von den Zeiten, als er den Star-Club geleitet hat

Wenn Reichel mit dem „Solo für Euch“-Programm auf der Bühne sitzt, lässt er diese längst vergangenen Zeiten wiederaufleben. Dann erzählt er von der England-Tournee mit den Rattles, von den Zeiten, als er den Star-Club an der Großen Freiheit geleitet hat und von all den Stilwechseln in seiner Karriere, aber auch von den Erfahrungen, die er im Musik-Business gemacht hat. „Als ich in den 60er-Jahren anfing, Musik zu machen, habe ich mir noch nicht träumen lassen, dass sie mich durch ein ganzes Leben tragen würde. Es fühlt sich an wie ein Märchen, und dass ich darin der Prinz sein soll, ist schon doll.“

Als er mit den Rattles und Wonderland auf der Bühne stand, spielte der blonde Sänger nur für junge Leute. „Damals haben wir gedacht, wenn du auf die 30 zugehst, ist Schicht.“ Doch Pop und Rock haben eine beispiellose Entwicklung genommen. Im Januar wird Reichel 70 Jahre alt, auf der Bühne steht er immer noch. Wie Mick Jagger, Paul McCartney, Rod Stewart, Jeff Beck und viele andere Musiker seiner Generation. Sein Alter sieht man ihm nicht an. Mit seinen kurzen Haaren und seiner schlanken Figur könnte er auch als Mittfünfziger durchgehen. „Ich fahre jeden Morgen eine Stunde auf dem Rad Richtung Raakmoor oder Kupferteich. Das hält mich fit und schlank“, lacht er.

Eigentlich wollte Reichel zu seinem Geburtstag eine Autobiografie schreiben. „Das wurde plötzlich Stress durch die Abgabetermine. Ein Buch zu schreiben ist nicht mein Metier, insofern muss es warten. Aber ich schreibe gerade an neuen Songs und möchte im nächsten Jahr wieder ein neues Album herausbringen.“ In welche Richtung es gehen wird, verrät Reichel noch nicht, aber wer ihn kennt, darf mit einer Überraschung rechnen. „Nur so ein richtiges Rockalbum, wie alte Fans es von mir erwarten, wird es bestimmt nicht werden. Die Zeiten sind vorbei.“

Achim Reichel Fr 4.10., 20.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johnannes-Brahms-Platz, Karten ab 35,70; Internet: www.achimreichel.de