Energiekonzern will das Festival nicht mehr fortsetzen. Kultursenatorin bedauert Rückzug. Seit 2011 gab es mehrere Gegenveranstaltungen, die das Vattenfall-Sponsoring unter Beschuss nahmen.

Hamburg. Die Hansestadt verliert eine literarische Institution: Die Vattenfall Lesetage werden nicht fortgesetzt. Das hat der Energiekonzern am Dienstag in Hamburg bestätigt. Die Lesetage hatten im vergangenen Frühjahr bereits zum 15. Mal stattgefunden. Zu den etwa 100 Veranstaltungen des etablierten Festivals kamen zuletzt rund 12.000 Besucher.

„Wir haben uns nach 15 Jahren gegen eine Weiterführung der Lesetage entschieden, weil sich inzwischen andere Formate herausgebildet haben, die im Literaturbereich gute Arbeit leisten“, sagte Vattenfall-Hamburg-Chef Pieter Wasmuth. Der Wegfall des Alleinstellungsmerkmals habe Vattenfall letztlich bewogen, das Kultursponsoring zu beenden.

Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) bedauerte den Rückzug: „Die Vattenfall Lesetage haben 15 Jahre lang einen bedeutenden Beitrag zu Hamburgs Kulturlandschaft geleistet, der an Umfang und Qualität nicht ersetzbar sein wird.“

Der erfolgreiche Volksentscheid für den Rückkauf der Energienetze vom 22. September habe mit der Entscheidung nichts zu tun, versicherte Vattenfall. Als der schwedische Energie-Riese 2002 die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) kaufte, entschloss er sich, deren Engagement für die Literatur in der Hansestadt fortzusetzen. Die Lesetage entwickelten sich schnell zu einem der größten norddeutschen Literaturfestivals. Vattenfall ließ sich sein Engagement bis zu 500.000 Euro im Jahr kosten und trug damit umfangreich zum literarischen Leben der Stadt bei, indem es Autoren von internationalem Format nach Hamburg holte und sich besonders für den Bereich der Kinderliteratur starkmachte.

Seit 2011 gab es allerdings mehrere Gegenveranstaltungen, die das Vattenfall-Sponsoring unter Beschuss nahmen. Die Veranstaltungsreihe „Lesen ohne Atomstrom“ prangerte mit prominenten Gästen wie Günter Grass und Nina Hagen „den Kulturmissbrauch der Atomindustrie“ an. Die Initiative Hamburger Energie Wechsel kritisierte massiv das „Greenwashing und Markenbranding eines Konzerns“ und verwahrte sich gegen Werbeveranstaltungen „für einen Atom- und Kohlestromgiganten“.

Insider gehen deshalb davon aus, dass auch andere Gründe als die von Vattenfall genannten eine Rolle bei der Entscheidung gegen künftige Lesetage spielten. Astrid Matthiae, Initiatorin von „Lesetage selbermachen – Vattenfall Tschüss sagen“, zeigte sich erfreut über den Vattenfall-Rückzug: „Kulturförderung ist eine öffentliche Aufgabe, nicht die von Großunternehmen.“ Auch Heiko Böttner, Sprecher von „Lesen ohne Atomstrom“, begrüßte den Abschied des Unternehmens.

Vertreter der Hamburger Kulturszene bedauerten dagegen das Ende der Vattenfall Lesetage. Zum Jubilieren bestehe kein Anlass, sagte Literaturhaus-Chef Rainer Moritz: „Es lässt sich nicht bestreiten, dass die Literatur in Hamburg viele Jahre lang von Vattenfall Lesetagen und deren feinem Programm profitiert hat. So üppig ist die Hamburger Literaturlandschaft wahrlich nicht bestückt, als dass uns dieses Frühjahrsfestival nicht fehlen würde.“ Auch Peter Lohmann, einer der Macher des Harbour Front Festivals, äußerte sich nachdenklich: „Wir bedauern das sehr.“