Die Hamburger Camerata startet mit einem Konzert rund um den Tanz vielversprechend in die Saison

Hamburg. Wer die Hamburger Camerata ein Weilchen nicht erlebt hat, traut seinen Augen kaum. Und den Ohren erst recht nicht. In der zurückliegenden ersten Spielzeit unter seinem neuen Chefdirigenten Simon Gaudenz hat das Orchester eine Metamorphose durchgemacht und die alte Hülle abgestreift. Plötzlich entpuppt es sich als verjüngter und filigraner Klangkörper, der seine Bewegungsfreiheit sichtlich genießt. Das war beim Eröffnungskonzert zur neuen Saison in der gut besuchten Laeiszhalle vom ersten Takt an zu spüren.

Spritzig und präzise wirbelte Simon Gaudenz mit neun Musikern durch die Tanzpräludien von Witold Lutoslawski und deren folkloristische Rhythmen. Dabei versprühten insbesondere die Holzbläser eine ansteckende Spielfreude. Dagegen streifte und streichelte die junge Harfenistin Johanna Ponzer die Saiten ihres Instruments so zart, als hätte sie Schmetterlingsflügel an den Fingern. Ihre musikalische Anmut passte sehr schön zum Weichzeichnercharme der Stücke „Danse sacrée“ und „Danse profane“ von Claude Debussy.

Ein Werk voller Schlagwerkeffekte, farbenreich und einen Tick zu lang

Einen ganz anderen Aspekt des Konzertmottos „Tanz“ beleuchtete dieHamburger Erstaufführung der „Grooves“ von Dieter Ammann. Der Schweizer Komponist, 1962 in Aarau im Norden des Landes geboren, schichtet verschiedene Zeitabläufe und rhythmische Gesten zu einem farbenreichen, aber vielleicht einen Tick zu langen Orchesterwerk voller Schlagwerkeffekte. Ammann hat langjährige Erfahrung auch als aktiver Jazzmusiker auf dem Kontrabass. Mitunter erinnerte das Gewusel der Stimmen, die er in seinen „Grooves“ anzettelte, an einen wild gewordenen Bienenschwarm.

Simon Gaudenz, einer der wenigen Linkshänder am Pult, setzte die Camerata mit präzisen, energischen Gesten von Anfang an unter Hochspannung. Nach der Pause schaltete er noch ein paar Stufen höher in den Starkstrommodus. Der Schweizer Maestro jagte das Orchester in teilweise irrwitzigen Tempi durch Beethovens Siebte Sinfonie und schärfte den Klang mit vibratolosen Tönen oder leeren Saiten der Streicher. Dabei glückte eine atemberaubende, ganz schön wilde und absichtlich raue Interpretation, die den ekstatischen Charakter der Musik schonungslos hervorkehrte. Dafür nahm sie in Kauf, dass es mitunter in puncto Intonation und Zusammenspiel ordentlich drunter und drüber ging.

Bis zum Erreichen der Perfektion bleibt dem Orchester also schon noch ein weiter Weg. Aber das macht nichts. Schließlich ist die neue Hamburger Camerata ja gerade erst aus der Larve gekrochen.