Im Ein-Personen-Stück „Oben bleiben!“ überzeugt Gerit Kling mit Bonmots und glänzendem Timing an den Hamburger Kammerspielen

Hamburg. Gerit Kling kann sehr komisch sein. Wenn man ganz alleine auf der Bühne steht, ist Komik besonders schwer. Man hat dann keinen, an dem man sich abreagieren kann. Schließlich lebt Komik oft genug vom Kontrast groß/klein, dick/dünn, blöd/noch blöder. Aber Gerit Kling macht das in ihrem Monolog „Oben bleiben!“, der am Dienstag in den Hamburger Kammerspielen Premiere hatte, bravourös. Sie spricht das Publikum spielerisch an, spricht mit sich selbst, ärgert sich über die Ungerechtigkeiten ganz allgemein und die im Leben einer Schauspielerin im Besonderen. Frech ist sie, sehr gewandt, nur selten gibt sie dem Affen allzu viel Zucker und rollt mit den Augen oder grinst länglich ins Publikum. Fast immer meistert sie souverän, mal verletzt, mal bissig ihre Rolle. Es ist die einer Schauspielerin, die Glück hatte, aber nun bald 50 wird.

Carsten Golbeck hat ihr dazu einen wie angegossen passenden, persönlichen Text geschrieben, voller Bonmots und kritischer Weisheiten. Da sinniert sie über die vier Phasen, die eine Schauspielerin durchläuft, und entdeckt, „das ist doch kein Leben für ein ehrgeiziges Mädchen“.

In Phase eins spielt man unschuldige Opfer: „Die Männer verführen uns, wir müssen uns umbringen“. In Phase zwei „dürfen auch mal Männer an uns zu Grunde gehen“. In Phase drei spielt man überforderte Mütter, „und ab November die böse Stiefmutter oder Hexe im Weihnachtsmärchen. Und wer nicht allabendlich im Ofen brennen will, kann nur auf eines hoffen: Vom Fernsehen entdeckt zu werden für eine Rolle als Kommissarin.“ Spätestens hier brandet der Applaus auf, denn Gerit Kling, seit 2007 bekannt als Oberärztin aus der ZDF-Serie „Notruf Hafenkante“, erzählt von den Zumutungen eines Schauspielerinnenlebens, das selbst ihr, der Erfolgreichen, nur allzu vertraut ist.

Kling spielt Vera Landis, die kurz vor der Premiere des Stücks „Die Überlebende der Titanic“ auf die Hinterbühne eines Theaters gerät und sich dort mit griechischem Bergtee und jeder Menge Glückspillen bei Laune hält. Quicklebendig und mit dem perfekten Gefühl für Timing führt sie sorgfältig gehegte Illusionen vor, zieht Bilanz über eine versäumte Theaterkarriere, ihre offenbar im Nebel getroffene Partnerwahl und ihren Willen, oben zu bleiben, wenn der ganze Dampfer untergeht. „Was ist das für eine Gesellschaft, die lieber Messies beim Hausrenovieren zuschaut als Qualitätskünstlern?“, fragt sie und spricht uns alle an. Wenn vielleicht auch nicht diejenigen, die gerade im Theater sitzen.

Der Untergang der „Titanic“ steht auch für den Untergang eines Gesellschaftssystems. Landis stand vor ihrem großen Durchbruch, als die Mauer fiel, am 9. November 1989. Statt ins Theater rannten die Zuschauer zur Grenze. Der Regisseur, er trug die Haare, als hätte er sie sich im Dunkeln selbst geschnitten, verschwand mit dem dramatischen Stoff nach Hollywood.

Vera wird Stewardess in einer TV-Serie, zieht Bilanz über Gerechtigkeit in Ost und West, im Leben und überhaupt. Und dann soll eine Kati Schnitt, eine Eiskunstläuferin, ihre Rolle in der Serie übernehmen. Aber Vera lässt sich nicht unterkriegen. „Ich werde bis zum Ende mitspielen, aufblühen und oben bleiben“, auch wenn der ganze kapitalistische Dampfer sinken sollte.

Gerit Kling, die viele wohl nur aus dem Fernsehen kennen, beherrscht die Bühne virtuos. Sie buhlt und bibbert, lacht und meckert, träumt und ist traurig. Sie kann’s. Sie interpretiert und gestaltet ihre Rolle. Das Publikum klatschte am Ende lange und begeistert.