„Othello“-Wiederaufnahme des Hamburg Balletts mit Amilcar Moret Gonzalez

Hamburg. Kaum atmen. Kloß im Hals. Zwei tote Liebende auf der fast leeren Bühne: Am Sonntag feierte das Hamburg Ballett mit John Neumeiers noch immer taufrischem „Othello“ nach William Shakespeares Tragödie zum ersten Mal auf der Bühne der ausverkauften Hamburgischen Staatsoper seine umjubelte Wiederaufnahme-Premiere. Der Umzug des Balletts von der Kampnagel-Fabrik, wo es 1985 mit Gigi Hyatt und Gamal Gouda Premiere hatte, war ohne nennenswerte Verluste gelungen. Und John Neumeiers hoch sensible Sicht auf diese zeitlose menschliche Tragödie hat über die Jahre nichts von ihrer Kraft eingebüßt.

Gespannt war man nun auf das Comeback des ehemaligen Neumeier-Tänzers Amilcar Moret Gonzalez, der als Gast die Rolle des Othello tanzte – ein ganzer Kerl mit Zeug zum Helden, in dessen Adern afrikanisches Blut fließt, und als dessen alter ego Neumeier einen klassischen „nackten Wilden“ (Lizhong Wang) über die Bühne jagt. Gonzalez aber merkt man weder die taumelnde Verliebtheit in Desdemona an, noch die Raserei der Eifersucht, in die er sich so hineinsteigert, bis er seine Liebste erdrosselt. Seltsam gebremst bleibt Gonzalez, obwohl er diese wichtige Titelrolle technisch einwandfrei und mit Schönheit und Grazie tanzt.

Ganz im Gegensatz zu ihm die biegsame, wellengleich in ihre Bewegungen hineinfließende Hélène Bouchet, die sich wieder mal bis zum Maximum hingibt, von der euphorisch Verliebten, umtanzt von Botticellis „Frühling“, bis zu einer verstoßenen Fassungslosen, einem erbärmlichen Rest Mensch. Tief berührend. Otto Bubenicek offenbart als Jago, der in seiner Eitelkeit und seinem Ehrgeiz verletzt ist, sein Talent als gewissenloser, mephistophelischer Marionettenspieler. Jedes seiner Fouettés ist ein Dolchstoß, und die ihm verfallene Emilia stößt er gewalttätig von sich, um sie wieder an sich zu reißen. Carolina Agüero hatte hier in dieser tragischen Rolle eine ihrer großen Stunden. Auch die Philharmoniker, die im zweiten Akt sichtbar auf der Empore über dem Geschehen saßen, spielten unter Garrett Keast die komplexe, facettenreich schwingende, tänzerisch sich durchdringende Musik von Alfred Schnittke, Arvo Pärt und anderen intensiv und atmosphärisch.

Restkarten für „Othello“ gibt es noch für den 19., 22., 25.9. und den 3.10.