Die ARD hat die Produktionskosten der Reihe offengelegt. Die Folge dieses Sonntags, „Angezählt“, kommt aus Wien. Es geht um illegale Prostituierten aus Osteuropa und brutale Zuhälter.

Hamburg. Der „Tatort“ ist ein Vorzeigeformat der Öffentlich-Rechtlichen. Dass das nicht ganz billig ist, weiß jetzt jeder, der es ohnehin ahnte, denn die ARD hat die Produktionskosten offengelegt: Die ARD-Folgen des „Tatort“ kosten 15.500 Euro pro Minute. Durchaus gut investiertes Geld, insbesondere dann, wenn man bedenkt, dass der Minutenpreis einer Folge „Donna Leon“ schon mal bei 17.500 Euro liegen kann. Was der „Tatort“ dieses Sonntags gekostet hat, weiß der Zuschauer dennoch nicht – es ist eine österreichische Produktion. Eine, die gelungen ist.

Die Einstiegsszene wirkt harmlos: Ein Junge bespritzt eine Frau mit einer großen Wasserpistole. Doch plötzlich steht die Frau in Flammen. Das Spielzeug ist mit Benzin gefüllt, ihre Zigarette verwandelt sie in eine lebende Fackel. Der „Tatort“ aus Wien beginnt mit einem bestialischen Mord, der Täter ist schnell gefasst, doch er kann nicht belangt werden, weil er erst zwölf Jahre alt und damit strafunmündig ist. Die Kommissare Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) haben bald herausgefunden, dass Rache des Zuhälters Aziz (Murathan Muslu) der Grund für den Mord war, doch ihre Beweislage ist mehr als dünn. Kooperation aus dem Milieu ist nicht zu erwarten.

„Angezählt“ (Regie: Sabine Derflinger) bewegt sich in den Niederungen der österreichischen Hauptstadt mit ihren Tausenden von illegalen Prostituierten aus Osteuropa und brutalen Zuhältern. Bibi Fellner, selbst zehn Jahre lang im Sittendezernat beschäftigt, unterstellt den Mächtigen der Stadt, dass sie selbst die sexuellen Dienste von 15-jährigen Mädchen in Anspruch nehmen und deshalb wegschauen. Zur Qualität dieser „Tatort“-Folge gehört dieser scharfe Blick in die Welt der Sexsklavinnen. Steigt eine aus und sagt gegen ihre Peiniger aus wie das Mordopfer, lässt die Rache nicht lange auf sich warten.

„Angezählt“ ist spannend erzählt und hat ein paar gute Wendungen im Plot, herausragend ist die Figur der Bibi Fellner, von Adele Neuhauser brillant gespielt. Die Polizistin sucht Psychologenhilfe, um kindliche Traumata zu bearbeiten, aber sie ist auch tief frustriert von ihrem Beruf. Nur schwer kann sie ihre Wut zähmen, grandios ist eine Szene, in der sie in einem Boxclub in den Ring steigt. Der Wiener „Tatort“ ist mit dieser Psychologisierung und mit der knallharten Milieuschilderung ein weiteres Beispiel für die wachsende Qualität der Reihe.

„Tatort: Angezählt“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD