Die Arte-Serie „The Slap“ blickt hinter die Kulissen des australischen Bürgertums. Die Serie dringt tief und lebhaft in die Figuren und Probleme ein, zeigt Zweifel und Verzweiflungen, verlorene Illusionen.

Hektor hat eigentlich alles, was ein erfolgreiches Leben ausmacht: einen guten Job, Geld, eine tolle, Frau, zwei Kinder, ein Haus – und dennoch geht er fremd. Aisha, Hektors Frau, hat drei langjährige Freundinnen, doch die Freundschaft wird brüchig. Anouk ist Fernsehautorin mit einem 20 Jahre jüngeren Liebhaber, ihre Gewissheiten wanken. Nur Harry scheint selbstsicher, ein Selfmademan, der sich nur um sich selbst dreht. Doch da ist Hugo, ein Vierjähriger, der noch gestillt wird und von seinen gut meinenden Eltern Rosie und Gary nie Grenzen gesetzt bekommt. Auf einer Gartenparty zu Hektors 40. Geburtstag, nervt Hugo so lange, bis Harry dem Kind seiner Freunde eine Ohrfeige gibt. So etwas muss in einer politisch-korrekten Gesellschaft geahndet werden.

Danach ist nichts mehr, wie es war. Doch dass es vorher schon zwischen Mann und Frau, Alt und Jung, Ehepartnern, Geschwistern, Kollegen und dem bunten Party- und Völkergemisch nicht so reibungslos funktioniert hat, erfährt man, wenn man aus den verschiedenen Perspektiven auf die Ohrfeige schaut, die die einen für richtig, die anderen für Kindesmisshandlung halten.

Christos Tsiolkas, australisch-griechischer Schriftsteller, hat 2008 seinen vielfach preisgekrönten Bestseller „Die Ohrfeige“ herausgebracht, der nun als achtteilige Serie ins deutsche Fernsehen kommt. Eine Geschichte, die tief in die einzelnen Schichten des modernen australischen Bürgertums eintaucht, in Rassen- und Geschlechterkonflikte, in Migrations- und Erziehungsprobleme, in Ehe- und Alterskrisen. Doch wie es so geht mit modernen, multikulturellen, mobilen und multitaskenden Menschen – die Probleme ähneln einander, wenn Sicherheiten schwinden. Was diese Menschen umtreibt und bewegt, könnte geradewegs aus den 60ern stammen, aus einem Roman des US-Autors John Updike: Ein Mann gerät kurz vor seinem 40. Geburtstag in Panik, entfernt sich von Frau und Familie und beginnt eine Affäre mit dem Babysitter. Patsch, so nimmt das Unglück seinen Lauf. Es könnte auch ein Stück von Yasmina Reza sein.

Äußerlich wirken die Protagonisten glücklich – doch sie sind es nicht

Die Serie dringt tief und lebhaft in die Figuren und Probleme ein, zeigt Zweifel und Verzweiflungen, verlorene Illusionen. Ein wunderbares Gesellschaftspanorama ist so entstanden, ganz ähnlich einem Roman aus dem 19. Jahrhundert. Aisha ist Pazifistin und versucht ihre Ehe zu retten. Aishas Freundin Rosie geht im Mutterdasein auf, will das Beste und macht fast alles falsch. Die dritte Freundin, Anouk, stresst sich als TV-Autorin einer kitschigen Serie und schafft es nicht, ein halbwegs geordnetes Leben zu führen. Die 17-Jährige Connie verknallt sich in den Mann ihrer Chefin, der alle guten Vorsätze über den Haufen wirft.

Von außen betrachtet wirken sie glücklich, innerlich sind sie beschädigt, unsicher, gekränkt, frustriert, egal ob konservativ oder liberal. Und so ist „Die Ohrfeige“ ein wahres, bewegendes Schauspiel geworden zum Thema „Wie wir miteinander leben“. Es ist ein Stück über den Zeitgeist, über Moral und Werte. Und es ist unterhaltsam. Das alles ist viel mehr als wir gewöhnlich im Fernsehen zu sehen bekommen.

„The Slap – Nur eine Ohrfeige“ 20.15 Uhr, Arte, ab 5.9. jew. donnerstags zwei Folgen