Wiener Staatsoper eröffnet mit umjubeltem Gastspiel die Elbphilharmoniekonzerte. Das Ensemble ließ phasenweise vergessen, dass es Mozarts erste Da-Ponte-Oper „Le nozze de Figaro“ auf der nackten Konzertbühne gab.

Hamburg. Oper konzertant, das ist wie Elbphilharmoniekonzerte ohne Elbphilharmonie. Kann prima funktionieren – vorausgesetzt, Musik, Orchester und Sänger sind stark genug, das Fehlen des wesentlichen Elements zu kompensieren. Das Ensemble der Wiener Staatsoper, das am Dienstag zum Saisonauftakt der Elbphilharmoniekonzerte in der nahezu ausverkauften Laeiszhalle gastierte, ließ phasenweise vergessen, dass es Mozarts erste Da-Ponte-Oper „Le nozze de Figaro“ auf der nackten Konzertbühne gab und nicht in einem wie auch immer aufgehübschten Dekor einer regulären Operninszenierung.

Der Anblick des schlank aufspielenden Orchesters – zehn erste Geigen, acht zweite, sechs Bratschen, vier Celli, vier Bässe, Bläser und Schlagwerk – als Backing band der an der Rampe agierenden Sänger war etwas gewöhnungsbedürftig. Dafür lenkte er die Aufmerksamkeit stärker als sonst in der Oper auf die Musik selbst, auf das Wechselspiel zwischen Sängerstimmen und Orchestergeschehen. Wie viel Rezitativisches etwa noch in dieser Oper steckt, wird jedem deutlich, wenn nur noch Hammerflügel, Cello und Bass die Sängerstimme begleiten. Stephen Hopkins behandelte sein Tasteninstrument dabei mit einem begeisternd improvisatorischen Gestus.

Rampensäue? An diesem Abend gab es davon gleich elf Stück

Adam Fischer, der die vor ihm liegende Partitur keinmal anrührte, schien lange zu glauben, die hinter seinem Rücken ihre Partien darbietenden Solisten seien auf sein schön kompaktes, energisches Dirigat angewiesen. Immer wieder drehte sich der soufflierende Maestro nach den Sängern um und suchte ihren Blick. Wort für Wort sang er alle Partien mit, nicht immer unhörbar. Da diese Damen und Herren ihren „Figaro“ aber offenbar alle im Schlaf aufsingen können, war soviel Fürsorge unnötig.

Steht Bühnenkünstlern nur die Rampe zum Ausspielen und Singen zur Verfügung, sollten sie tunlichst Rampensäue sein. Davon gab es an diesem vergnüglichen, musikalisch exquisiten Abend gleich elf Stück. Mit einem Minimum an Requisiten und Effekten lotsten sie das früh begeisterte Publikum durch die wunderhübsch verhakelten Liebeshändel am Hofe des Conte d’Almaviva. Alle sangen und sprachen ein Italienisch, als hätten sie’s schon im Mutterleib gehört. Carlos Álvarez als stimmgewaltiger, tumb verliebter Potentat, Adam Plachetka als sein naiv-verschlagener Gegenspieler Figaro, die Sopranistinnen Olga Bezsmertna (Contessa), Valentina Nafornita (Susanna), Christina Carvin (Cherubino), und, etwas tastender, Hila Fahima (Barbarina) bereiteten den Ohren ein Fest. Monica Bohinec gab mit ihrem fülligen Mezzo der Marcellina schön komödiantische Konturen, auch Sorin Colibans fett samtiger Bassbariton war eine Freude. Erstklassiges Sängertheater.