Die Doku „Ciao Cello“ zeigt, dass Musikmachen manchmal enorm spannend ist. Zu den stärksten Sequenzen gehören die Schulkonzerte, untrennbarer Bestandteil der Tonali-Philosophie.

Metropolis. „Wir haben ja nicht verloren. Wir haben halt nur nicht gewonnen“, sagt der 19 Jahre alte Cellist Konstantin Bruns am Ende des Films „Ciao Cello“, ein Cocktailglas in der Hand. Er hängt in einem Liegestuhl am Elbstrand ab und wippt mit ein paar Leidensgenossen die Enttäuschung weg. Besser kann man die Dialektik des Trostes wohl nicht in Worte fassen, mit der sich Hochbegabte seelisch wieder aufpäppeln, wenn sie bei einem tollen, ungewöhnlichen Musikwettbewerb mitgemacht haben und nach dem letzten Wertungsspiel erfahren müssen, dass sie leider nicht in die Endrunde gekommen sind. Bruns war einer der elf Teilnehmer des bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerbs Tonali 2012 in Hamburg, bei dem es auch darum ging, den besten Nachwuchscellisten zwischen 16 und 21 Jahren zu ermitteln. Auch, aber eben nicht nur.

„Ciao Cello“: In unserem Sprachgebrauch lässt der alliterationsverliebte Titel des Films eher an einen Abschied vom Cello denken – Ciao wie tschüs. Gemeint aber ist er wohl eher Italienisch: Hallo, Cello! Dass auch Konstantin Bruns sich ungeachtet des nicht verlorenen, nur eben nicht gewonnenen Wettbewerbs keineswegs vom Cello verabschiedet hat, wird er am heutigen Mittwoch im Metropolis Kino zeigen. Nach der Premiere des Dokumentarfilms von Hannes Treiber kommt der junge Musiker mit dem ebenfalls bei Tonali 2012 ausgeschiedenen Juniorcellisten Wassily Gerassimez auf die Bühne und spielt. Philip Wentrup, der sich für Tonali qualifiziert hatte, aber wegen einer Erkrankung nicht teilnehmen konnte, ist ebenfalls dabei. Und auch Alexey Stadler, der den Wettbewerb nicht nur nicht verloren, sondern tatsächlich gewonnen hat, gesellt sich zu seinen Kollegen und musiziert für die Premierengäste.

So soll es bleiben. Wann immer „Ciao Cello“ irgendwo in einem Kino gezeigt wird – demnächst in Berlin, Köln, Weimar, Leipzig und St. Peter-Ording –, gibt es hinterher noch eine halbe Stunde lang lebendige Töne aus dem Bauch des Violoncellos, gespielt von einem jungen Virtuosen. Denn, wie es Amadeus Templeton, mit Boris Matchin Gründer und Leiter von Tonali, einmal sinngemäß im Film sagt: „Musik lebt nur, wenn man sie hört.“

Treibers Doku ist eine Hommage an Menschen, die schon in ganz jungen Jahren eine Bestimmung zur klassischen Musik in sich verspürt haben. Sie sind diesem lockenden, fordernden Ruf gefolgt, der sie vielleicht abgesondert hat von ihren Kindergartenfreunden und Klassenkameraden. Denn wer Musik auf Exzellenzniveau betreibt, der erlegt sich Unbequemlichkeiten und langes Alleinsein auf, Übe-Exerzitien, die viele Stunden des Tages in Anspruch nehmen. Er (mindestens so oft sie) bekommt eine leise Angst vor jedem scharf geschossenen Ball. Dumm am Finger abgeprallt, könnte er das Aus für eine Karriere bedeuten, die noch gar nicht angefangen hat. Der Lohn für die Mühsal auf dem langen Weg der Instrumentenbeherrschung: „Dass ich auf dem Cello all das sagen kann, wozu mir die Worte fehlen“, wie es ein Wettbewerbsteilnehmer ausdrückt.

Treibers Kameras sind nahezu überall dabei. Einige Teilnehmer hat das Filmteam schon vor dem Wettbewerb an ihrem Wohnort besucht. So gewinnt man Einblicke in die Hoffnungen und Selbstzweifel der Top-Solisten von morgen. Man sieht auch ihr Lebensumfeld. Von Hochzüchtung oder abgeschirmtem Dasein ist nichts zu spüren.

Der Film vertraut der Kraft der Musik. Viele Minuten vergehen ohne Worte. Sie zeigen die Interpreten spielend, ihrem Instrument mal in kämpferischer, mal in symbiotischer Liebe verbunden. Klar ist das Instrument für sie jemand, den man vertraulich grüßt, egal ob am Morgen oder zur Nacht.

Zu den stärksten Sequenzen gehören die Schulkonzerte, untrennbarer Bestandteil der Tonali-Philosophie, weil von den Schülern selbst organisiert. Wer in die aufmerksamen Gesichter der jungen Zuhörer etwa der Nelson-Mandela-Schule schaut, von denen manche gewiss zum ersten Mal in ihrem Leben klassische Musik erleben, darf hoffen, dass diese Schulstunde der Beginn einer wunderbaren Freundschaft war. Der Freundschaft zu einer mit allen Sinnen gespielten Musik.

„Ciao Cello" Filmpremiere mit Gästen, Mi 28.8., 19.30, Metropolis (U Stephansplatz/U Gänsemarkt) Kleine Theaterstraße 10, Kartentelefon 34 23 53