Die aus Hamburg stammende Illustratorin Birgit Schössow feiert mit Titelblättern für das renommierte Magazin „The New Yorker“ Erfolge in den USA

Bistensee. Wie Birgit Schössow da in der Türe des grau gestrichenen Holzhauses steht, barfuß im bunt geblümten Kleid, die weiß-blonden Haare mit einem rosa Tuch hochgebunden, zudem dieser sehr muntere Blick im rosigen Gesicht, da könnte sie auch gut eine Figur in einem Astrid-Lindgren-Buch sein. Und nachdem sie im Innern zwischen Büchern, Zeitschriften, Buddha-Figuren, Pflanzen und Kissen Platz gemacht hat für eine alte silberne Kanne mit Kaffee und einen Teller mit Zimtgebäck, sagt sie dann auch direkt den passenden Satz dazu: „Wer in unsere Straße einbiegt, hat sofort ein Gefühl von Bullerbü.“ Und nicht erst dort. Auf dem Weg durch Schleswig-Holstein nach Bistensee, malerisch gelegen am gleichnamigen Gewässer, wird das nächste Scheunenfest beworben. Bauern bieten Kirschen feil. Das Land lebt.

Angesichts dieser Idylle klingt die Geschichte, die die 49-Jährige nun erlebt, wie ein moderner, leicht unglaubwürdiger Selbstverwirklichungsroman. Denn die Illustratorin, die vor 20 Jahren von Hamburg aufs Land zog, weil ihr damals schon die Mieten zwischen Elbe und Alster zu hoch waren, feiert jetzt in der Stadt der Städte Erfolge.

Von ihrem Schreibtisch aus, mit Blick in den sehr wuchernden Garten, hat sie in den vergangenen Monaten drei Cover für das renommierte Magazin „The New Yorker“ gestaltet. Die 1925 gegründete Wochenzeitschrift, die für ihre herausragenden Essays, Kritiken und Short Storys gerühmt wird, hat mit seinen Cartoons und Titelblättern auch eine lange bildästhetische Tradition. Auch nur einmal die Seite eins gestalten zu können gilt als absolute Adelung in der Branche. Und dass Schössow sich selbst jetzt in einem Atemzug nennen darf mit Größen wie Art Spiegelman, Jean-Jacques Sempé und David Hockney, das verdankt sie dem guten alten Medium Buch, dem guten neuen Medium Internet. Und ihrer Chuzpe.

Françoise Mouly, Art-Direktorin des „New Yorker“, veröffentlichte 2012 den Bildband „Blown Covers“, in dem sie erläutert, warum sie Entwürfe abgelehnt hat. Auf einer Webseite zum Buch rief Mouly dazu auf, neue Vorschläge einzusenden. Zunächst beobachtete Schössow diese Online-Spielwiese bloß, nach drei Wochen schickte sie selbst Entwürfe los. „Ich erinnere mich, als ich das erste Mal auf ‚send‘ gedrückt habe“, sagt sie. „Ich habe mich gefragt: Darf ich das? Das geht jetzt nach Amerika.“

Im Land der viel zitierten unbegrenzten Möglichkeiten wurden ihre Versuche bald honoriert. „Als ich die Nachricht bekam, dass einer meiner Entwürfe für das ‚New Yorker‘-Cover zurückgehalten wird, habe ich fast einen Schlaganfall bekommen“, erzählt Schössow und reißt ihre Augen auf, als könne sie ihr Glück noch nicht fassen.

Im Februar erschien dann das erste, von Schössow gestaltete Titelblatt auf dem „New Yorker“. Ein Skifahrer fährt da diagonal über eine blanke Fläche. Die Spur, die er hinterlässt, reißt das Weiß ein, und eine Textseite kommt zum Vorschein. Eine schöne, reduzierte Arbeit. „Da hatte ich einfach das Gefühl: Das isses!“, erinnert sie sich. Für die Mai-Ausgabe landete sie dann den nächsten Coup. Schössow machte das „o“ des „The New Yorker“-Schriftzugs zum Zentrum eines Hutes. In dem bauschigen roten Kleid des Models wiederum spiegelt sich die Skyline. Den Hattrick landete die Zeichnerin dann mit dem Juni-Titel, für den sie zum Thema Film noir eine stilisierte Verfolgungsszene in Schwarz, Weiß und Grau vor dem Empire State Building inszenierte.

Eine Pappminiatur des Wahrzeichens steht mittlerweile auf Schössows Schreibtisch. Wohl auch als Talisman für Telefonate mit der Art-Direktion am Times Square. „Ich schwitze da immer Blut und Wasser mit meinem Englisch“, sagt die Hamburgerin, die sich nach wie vor als solche fühlt. Regelmäßig fährt sie in ihre Geburtsstadt. Etwa wenn ihr nach Kunst und Kultur zumute ist. Und auch in der Stadt ihres neuen Auftraggebers war sie bereits. In den 90er-Jahren. „Ich mag die Filme der 30er, 40er und 50er sehr. Leider kam Cary Grant nicht um die Ecke“, sagt sie, kichert und rutscht im weißen Ledersessel herum.

Ihren Blick für die Dinge konnte Schössow, die in Eidelstedt aufwuchs, bereits früh im Familienkreis üben. „Meine Eltern haben immer Farben und Gedöns da gehabt“, erzählt sie. Ihr Vater, ein Malermeister, arbeitete in US-Kriegsgefangenschaft viel mit Ölmalfarben, ihr zehn Jahre älterer Bruder Peter ist ebenfalls Illustrator und lebt in Hamburg. Ein, zwei Semester habe sie versucht, Soziologie zu studieren, erzählt Schössow. „Aber das war nicht meins. In den Vorlesungen habe ich immer nur Skizzen gemacht.“ Also zog es sie an die Fachhochschule für Gestaltung, für ihre Abschlussarbeit illustrierte sie einen Roman der US-amerikanischen Schriftstellerin Carson McCullers. Mittlerweile zählen Carlsen und Rowohlt Verlag zu ihren Auftraggebern, ebenso der NDR und das ZDF.

Spezialisiert ist Schössow auf die Gestaltung von Kinder- und Jugendbüchern wie die Reihe „Freche Mädchen – Freche Bücher“. Ein Profil, das auch einengen kann. So ist sie froh, dass der neue Erfolg ihr nun auch ganz andere Aufträge bringt, etwa für den „Cicero“.

Beim „New Yorker“ ist sie mittlerweile im Verteiler, bekommt Themen per Mail zugeschickt, tüftelt dann einige nächtliche Stunden darüber und sendet ihre Vorschläge schließlich über den Atlantik, wenn sie den Eindruck hat, dass das Bild steht, dass es genug Spannung hat. „Ich hoffe, dass da noch weitere Cover für mich kommen“, sagt sie. Und sie fügt mit neu erwachtem Eifer hinzu: „Das wäre ja sonst peinlich.“

Infos: www.birgit-schoessow.de