Kontroverses beim Sommerfestival von Wayne McGregor, Rabih Morué und Lina Saneh

Hamburg. Die Welt ist aus den Fugen. Die Zeit, als das Licht noch ein glänzender Feuerschein war, sind vorbei. Im Zeitalter der Aufklärung positioniert sich der Mensch neu im Universum, begreift sich als autonom, ordnet die Welt seiner Intellektualität unter. Große, ja mitunter außerirdische Bilder findet der Choreograf Wayne McGregor für diese Entwicklung. Mit der Produktion „FAR“ präsentierte sich der Brite erstmals beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel.

Am Anfang bewegt sich ein Tänzer allein zu süßlich-sakralen Gesängen im Schein einiger Fackeln. Doch der Paradigmenwechsel folgt. Auf der zuvor still daliegenden rückwärtigen Wand strahlt erst ein Leuchtkörper, später gerät die ganze Wand in Bewegung. Das Tempo zieht an. Die Komposition von Ben Frost wird nervös, klassische Geigen wechseln zu industriellem Metall. Mehrere Tänzerinnen und Tänzer gesellen sich hinzu. Die Bewegungen werden exaltierter, überdehnter, die Begegnungen spannungsreich. Beine fliegen hoch. Körper tragen einander. McGregor dekonstruiert das klassische Ballettvokabular. Seine Kompanie Random Dance transportiert dies auf hohem technischen Niveau, manchmal zulasten eines tieferen Ausdrucks.

Man muss kein Wissenschaftler sein, um das Gesehene einzuordnen, aber es schadet auch nicht zu wissen, dass sich McGregor im Vorfeld mit Roy Porters „Flesh in the age of reason“ beschäftigt hat. Das Wechselspiel von Körper und Geist, eine genaue Beobachtung des Zusammenspiels, um das menschliche Rätsel wertschätzen zu können, in dieser faszinierenden Abstraktion gelingt das.

Die modernen Hilfsmittel der Technik nutzen die libanesischen Theatermacher Rabih Mroué und Linah Saneh, um in einer packenden dokumentarischen Analyse brandaktueller Revolutionswirren allein mit Mitteln von Fax, Anrufbeantworter und Internet zu erzählen. In „33 Rounds and a few seconds“ werden die abwesenden Akteure auf beklemmende Weise gegenwärtig.

Geborgenheit verspricht da nur die Musik in Gestalt des in Berlin lebenden Dänen Raz Ohara. Über traumverlorene Miniaturen an Geräuschstationen, Gitarre, Piano und Oboe träufelt er magischen Gesang. Das Publikum zuckt keinen Muskel und atmet auf im Angesicht von so viel Versöhnlichkeit.

Internationales Sommerfestival 2013 bis 25.8., Kampnagel, Jarrestraße 20–24, Karten T. 27094949; www.kampnagel.de