180 Künstler und Designer zeigen bei der Abschlussausstellung der 25. Sommerakademie Pentiment ihre Arbeiten

HAW Hamburg. Der Flurfunk ist eine ganz eigentümliche informelle Form des Informationsflusses. Aus Flurgesprächen kann sogar künstlerisch etwas erwachsen. Vor mehr als 25 Jahren unterhielten sich Erhard Göttlicher und Friedrich Karl Waechter auf einem Gang in der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Der eine langjähriger HAW-Professor am Department Design, der andere unter seinem bekannten Vornamenskürzel F.K. Zeichner, Karikaturist und Cartoonist. Ein Forum für künstlerische Weiterqualifizierung, das schwebte den beiden vor. Daraus entstand die Internationale Sommerakademie Pentiment. Im Jahr 1988 noch als Versuchsprojekt, in den drei folgenden Jahren als Modellveranstaltung und danach – bis auf eine umzugsbedingte Zwangspause 2010 – als ständige Einrichtung.

In diesem Jahr fand die 25. Sommerakademie statt. Noch aber ist Pentiment – der Begriff beschreibt Spuren und Korrekturen in Grafiken und Gemälden – nicht ganz Vergangenheit: An diesem Sonnabend zeigen 180 beteiligte Künstler und Designer ihre Arbeiten auf der Abschlussausstellung in Hohenfelde. Ob Malerei, Zeichnen, Illustration, Fotografie, Siebdruck, Installation, Steinbildhauerei oder Recycling Design – kaum eine Kunstgattung, die nicht vertreten ist. Am Freitag begannen auch die Teilnehmer aus dem HAW-Mediencampus Finkenau ihre Arbeiten zum Modecampus an der Armgartstraße zu schaffen. „Im Berufsleben oder im Studium hat man kaum Zeit, sich einmal ganz intensiv und ergebnisoffen seiner künstlerischen Arbeit zu widmen. Pentiment schafft dafür den Rahmen“, sagt Jan Köchermann, seit 2011 Künstlerischer Leiter der Sommerakademie.

Bis zu drei Wochen haben die Teilnehmer in gut einem Dutzend Kursen kreativ gearbeitet. Blutiger Anfänger ist keiner von ihnen, schließlich ist für die Teilnahme an Pentiment – außer 500 bis 800 Euro Gebühr – „ein Nachweis künstlerischer Grundqualifikation“ erforderlich, wie es in der Anmeldung heißt. Konkret: zehn bis 15 Arbeitsproben. „Wir wollen und müssen uns ja von VHS-Kursen abheben“, sagt Pentiment-Geschäftsführer Manuel von Klippstein. Er organisiert die Sommerakademie für Kunst und Gestaltung seit dem Start. 75 bis 80 Prozent der Teilnehmer (so hoch ist insgesamt auch der Frauenanteil) hätten eine künstlerische Ausbildung, der Rest seien Studierende und begabte Autodidakten, hat er festgestellt. „In den Anfangsjahren herrschte noch der gemeinsame freie Charakter der Sommerakademie vor, die Teilnehmer standen noch nicht so unter Druck“, erinnert er sich. „Jetzt stehen manche schon um neun Uhr morgens hier und klopfen an der Tür.“

Das mag auch an den international renommierten Gastdozenten liegen. Sie stehen den Teilnehmern individuell und inspirierend zur Seite. Der New Yorker Gastprofessor Laurentz Thurn etwa hat seine Malerei-Schüler im Kursus „Mensch und Bewegung“ nicht nur zu neuen Ausdrucksformen ermutigt. Die entstandenen Werke werden nach der Abschluss-Schau der HAW auch in der Millerntor Gallery im Stadion des FC St. Pauli hängen und sollen dort für die Trinkwasserinitiative Viva con Agua versteigert werden. Auch die französische Ecodesignerin Katell Gélébart, deren Aufenthalt von der Alfred-Toepfer-Stiftung finanziert wurde, die israelische Zeichnerin Irit Hemmo oder der Hamburger Maler Henning Kles zählten diesmal zu den Gastprofessoren. Der 42-Jährige hatte 1998 sein Studium im Fachbereich Gestaltung an der HAW abgeschlossen. Für die Sommerakademie kehrte Kles zurück.

Und damit ist er nicht allein. Die vielfach ausgezeichnete Fotografin und Dokumentarfilmerin Herlinde Koelbl („Die Spuren der Macht“) belegte Mitte der 90er-Jahre mal einen Zeichenkursus bei der Sommerakademie. Danach wirkte die Bundesverdienstkreuzträgerin, deren Fotoschau „Haare“ 2007 auch in Hamburg zu sehen war, mehrmals als Gastdozentin bei Pentiment-Kursen an der HAW mit. Und der absurde Ruhrpott-Künstler Thorsten Brinkmann, der mit gebrauchten Alltagsgegenständen im Vorjahr bei Pentiment neue Horizonte im Recycling Design aufgezeigt hatte, soll 2014 erneut die Teilnehmer inspirieren. „F. K. Waechter hat nach seinem Gespräch mit Erhard Göttlicher später auch Kurse gegeben, er hat sich quasi seinen eigenen Arbeitsplatz geschaffen“, berichtet von Klippstein schmunzelnd.

Das, was bei dieser Sommerakademie entstanden ist, soll zudem Anregungen geben, mit den anwesenden Künstlern und Gastprofessoren ins Gespräch zu kommen. Auf drei Stockwerken, in elf Räumen, in der Aula, im Eingangsbereich und im Garten sind die aktuellen Werke zu sehen. „Das sprengt jede normale Galerie“, sagt von Klippstein. Und falls der Platz nicht reicht, bleiben zur Not noch die Flure.

Abschlussausstellung von Pentiment anschl. Abschlussfeier Sa 10.8., 14.00–ca. 20.00, HAW Hamburg (Bus 6, 172/173), Armgartstr. 24, Eintritt frei; www.pentiment.de