Wade/Xiu Xiu/Grzymala und Juan Domínguez beim Sommerfestival

Hamburg. Ein Plackern und Wummern empfängt den Besucher. Zur Rechten sind allerlei Gerätschaften verdrahtet neben einer mit weißen Papierbahnen ausgelegten Bühne. Die in Berlin lebende Künstlerin Monika Grzymala verlegt lange Streifen schwarzen Gaffertapes. Die Musiker Jamie Stewart und Shayna Dunkelman entlocken ihrem Maschinenpark Klänge aus tiefen Frequenzen, dazwischen bearbeiten sie allerlei Schlagwerk und Glockenspiele. Auf der Bühne tobt der Ringkampf der Tänzer Maria F. Scaroni und Jeremy Wade, der das Ganze auch choreografiert hat.

„Dark Material“, das nun Uraufführung beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel feierte, ist ein Gang in die Finsternis, in die Tiefen des eigenen Assoziationsrepertoires, ein Underground-Experiment im Gothic Look. Die Kollaboration von Wade, Stewart und Grzymala steht symptomatisch für die von Festivalchef András Siebold angestrebte „Komplizenschaft“ mit den Künstlern und ist auf Kampnagel entstanden.

Schwitzend, stöhnend und sich ungesund verrenkend, kämpfen Wade und Scaroni gegeneinander, gegen die dominante Tonspur und das mal fliegende, mal projizierte, mal sich in eine Bühnenecke zurückziehende Bühnenbild. Beunruhigende Bilder sind das. Gewagt. Avantgarde irgendwie. Auch wenn die Teile dieser lebenden Installation seltsam isoliert bleiben. Allerdings mit einer wunderbar in sich ruhenden Monika Grzymala als heimlichem Zentrum.

Diesem hochernsten Kunstwillen widersetzt sich zu später Stunde der spanische Performer Juan Domínguez in „Characters Arriving“ auf etwas zu brachiale Art und Weise. Gemeinsam mit zwei weiteren Performern im besten Mannesalter hat sich Domínguez dick ausstaffiert mit diversen Hosen, Jacken, Mützen, farbigen Perücken, Kunstnasen und riesigen Brillen. Wie sie da so herumschlurfen, gleichen sie mal Clochards, mal Späthippies. Noch unbeachtet ruht ein roter Kissenberg im Hintergrund, der noch eine größere Rolle spielen wird.

Es geschieht erschreckend wenig. „My Name is Juan Domínguez“, sagt der Theatermacher und findet das ironisch-witzig. In einem Hooliganchor erschallen auch die Namen der übrigen, dann verhauen sich die drei wie spät pubertierende Jungs, um kurz darauf „Mama“ schreiend durch die Hallen zu vagabundieren. Hin und wieder setzt einer an zu einer Nonsens-Geschichte, deren ästhetische Behauptung jedoch umgehend in neue Albernheiten zerfällt.

Zu Mitternacht hin entgleist, was noch entgleisen kann in dieser derben Theaterunterwanderung. Das Männertrio stopft sich mit Kissen aus, kugelt über die Bühne und beginnt schließlich das leise aufbegehrende Publikum aus überwiegend entertainmenthungrigen Hipstern in nervtötender Ausdauer mit Kissen zu bewerfen. Da ist mancher längst ausgestiegen. Auch eine Popularisierung der Avantgarde verlangt dann doch ein wenig mehr Inhalt und Form.

Internationales Sommerfestival 2013 bis 25.8., Kampnagel, Jarrestraße 20–24, Karten T. 27094949; www.kampnagel.de