Der in Hamburg geborene Fotograf Jürgen Vollmer zeigt im East Hotel eine kleine und feine Auswahl seiner Arbeiten

East Hotel. Die meiste Zeit seines Lebens hat Jürgen Vollmer im Ausland verbracht. In Paris, New York, Los Angeles, und wieder Paris. Dazwischen Reisen für Reportagen und Besuche an Filmsets auf allen fünf Erdteilen. Doch geboren ist der Fotograf und Beatles-Freund in Hamburg. Hierher ist der Künstler im Jahr 2000 wieder zurückgekehrt. In seiner aktiven Zeit hat Vollmer unzählige Weltstars im Sucher seiner Kamera gehabt, als Set-Fotograf kam er ganz dicht an Größen wie Romy Schneider, Madonna, Barbra Streisand, Johnny Depp oder Robert Redford heran. Doch vor allem ist sein Name mit den Beatles und der Pilzkopffrisur der „Fab Four“ verbunden. Lange Zeit wurde diese Haar-Kreation der Beatles-Freundin Astrid Kirchherr zugeschrieben, doch Vorbild für den in die Stirn gekämmten Pony war Vollmer, wie bei einer Vernissage mit seinen Porträts im East Hotel noch einmal gezeigt wurde.

„Ich habe mir die nassen Haare nach dem Schwimmen nach vorn gekämmt und sie trocknen lassen. So eine Frisur trug damals niemand“, erzählt er in Andreas Grützners Dokumentarfilm über sein Leben. Damals heißt 1961/1962. Die Beatles spielten im Kaiserkeller, im Indra und im Top Ten. Vollmer, Kirchherr und der Grafiker Klaus Voormann freundeten sich mit den Musikern aus Liverpool an und hingen mit ihnen ab. Kirchherr und der 1962 gestorbene Stuart Sutcliffe wurden ein Paar. Sutcliffe war der erste Pilzkopfträger, den Kirchherr ihm nach dem Vorbild Vollmers schnitt. Der wiederum verpasste John Lennon und Paul McCartney später das haarige Markenzeichen.

Bis heute sind Vollmer und McCartney miteinander verbunden. Der Bassist konnte zwar nicht persönlich zur Ausstellungseröffnung kommen, doch er schickte per Video eine Grußbotschaft und lobte noch mal den großen Einfluss, den die drei Hamburger Freunde für die Entwicklung der Beatles gehabt hätten. McCartney machte auch deutlich, dass Vollmers Bilder die ersten wirklich guten und ernsthaften Porträts waren, die von den Beatles geschossen wurden. Sechs dieser Schwarz-Weiß-Aufnahmen hängen noch bis zum 5. September im East Hotel an der Simon-von-Utrecht-Straße. Mit dem Bekenntnis „Mein Freund, jawoll!“ endete McCartneys Eloge auf den Kumpel aus frühen Kiez-Tagen.

Aus dem riesigen Archiv von Jürgen Vollmer hängen im East Hotel lediglich 21 Bilder, mehr gab die Architektur in dem Designerhotel auf dem Kiez nicht her. Außer den Beatles-Bildern ist es ein Reigen an Filmstars von den 60er-Jahren bis ins neue Jahrtausend. Zum Beispiel hängt dort eine Aufnahme von Angelina Jolie und Brad Pitt, der ein Kind an der Hand hält. Es wirkt wie das spätere Familienidyll des Paares, ist jedoch ein Ausschnitt aus „Mr. & Mrs. Smith“. Bei den Dreharbeiten zu dem Thriller begann die Liaison der beiden Superstars. Die von Vollmer fotografierte Szene ist im Film übrigens nicht zu sehen, sie fiel dem Schnitt zum Opfer. Beeindruckend sind auch Porträts von Catherine Deneuve und Romy Schneider, ein besonderer Blickfang ist ein Bild von Isabelle Adjani, das wie Unterwäsche-Werbung aussieht, aber aus dem Film „Feuer und Flamme“ stammt.

Die ausgestellten Fotos, alle im Format 50 x 70 Zentimeter, sind auch in einem Erinnerungsband zu sehen, der in der Reihe „edel: vita“ erschienen ist. „Wie ich John Lennon die Haare schnitt, vor Romy Schneider davonlief und Catherine Deneuve zum Lachen brachte“, heißt das 213 Seiten starke Buch. Es ist kein reiner Fotoband, Vollmer beschreibt darin ausführlich die verschiedenen künstlerischen Stationen seines Lebens, angefangen in den Rock-’n’-Roll-Schuppen an der Reeperbahn und der Großen Freiheit 36 und von dort weiter nach Paris und in die USA. Mit der Übersiedelung in die französische Metropole wollte der Freigeist Vollmer der Spießigkeit und dem deutschen Muff entgehen. Dort nahm niemand Anstoß an Vollmers Haaren oder seiner Kleidung. In Paris machte er seine ersten bedeutenden Fotoreportagen über sogenannte Halbstarke und über Sex unter jungen Leuten.

Diese Freizügigkeit in seinen Fotos wäre im Deutschland der frühen 60er-Jahre undenkbar gewesen. Über seine Beziehung zu diesen Halbstarken, die Vollmer in den Pariser Vororten fand, schreibt er: „Neben unserer Abneigung gegenüber bürgerlichen Wertvorstellungen hatten wir vor allem eines gemeinsam: die verzweifelte Sehnsucht nach Sex, die mehr oder weniger unterschwellig in jedem Rock-’n’-Roll-Song thematisiert wird.“

Jürgen Vollmer: Fotografien bis 5.9., täglich 10.00–23.00, East Hotel (U St. Pauli); Simon-von-Utrecht-Straße 31; Infos im Internet unter www.juergen-vollmer-fotografien.com