Für ihr Regiedebüt im Theater Kontraste am Winterhuder Fährhaus hat Ayla Yeginer familiäre Unterstützung. An diesem Sonnabend ist Premiere.

Komödie Winterhude. An einem langen, schwarzen Tisch inmitten eines Probenraums sitzen vier Menschen und blicken in die vor ihnen geöffnet liegenden Drehbücher. Ein Mann steht. Mit den Händen in der Hosentasche, die Brille auf der Nasenspitze, liest Murat Yeginer laut aus seinem Skript, er wirkt nachdenklich und konzentriert. Bis eine Stimme sein Spiel unterbricht. Es ist die Regisseurin des Stücks, Ayla Yeginer, Murats Tochter. Sie macht ein paar kritische Anmerkungen, beide tauschen sich kurz aus, dann geht es weiter im Text. Seit vier Stunden ist das Team, zwei Regieassistentinnen, die Kostümbildnerin und ein weiterer Schauspieler, an diesem Tag bereits zusammen, sie proben für Paul Hengges Stück „Das Urteil“, das an diesem Sonnabend Premiere im Theater Kontraste des Winterhuder Fährhauses feiert.

Es ist das Regiedebüt von Ayla Yeginer, die Wahlhamburgerin mit türkischen Wurzeln hat sich professionelle Unterstützung geholt. Die zweite Hauptrolle an der Seite von Vater Murat Yeginer, der 1975 an den Hamburger Kammerspielen sein erstes Engagement hatte und heute Schauspieldirektor am Theater Pforzheim ist, übernimmt der erfahrene Schauspieler Harald Weiler. „Wir kennen uns alle schon sehr lange und sind ein wunderbares Team“, findet die Regisseurin. Auch wenn sie es sich mit dieser Besetzung nicht gerade leicht gemacht hat. „Der Anspruch ist hoch, und ich möchte natürlich, dass die beiden auch in Zukunft wieder bereit sind, mit mir zusammenzuarbeiten“, sagt die 30-Jährige. Dass ausgerechnet der eigene Vater die Hauptrolle in ihrem Regiedebüt spielt, sei kein Zufall, sondern eine bewusste Entscheidung gewesen: „Es kam von Anfang an nur ein Mann für diese Rolle infrage.“ Und der fühle sich geehrt, an der Karriere seines „kleinen Mäuschens“ mitzuwirken, wie er sie abseits der Proben liebevoll nennt, liebevoll streicht ihr sein Finger über die Wange.

Kurze Pause. Vater Murat muss eine Zigarette rauchen. Währenddessen holt die Kostümbildnerin ein paar Kleidungsstücke aus einem Koffer. Als der Schauspieler zurückkommt, werden ihm ein Sakko und ein Paar Schuhe gereicht. „Wie findest du die?“, ruft er Ayla zu und zeigt ihr grinsend die schwarzen Slipper an seinem Fuß. Die Atmosphäre in dem Kirchensaal, in dem die Proben stattfinden – erst kurz vor der Premiere geht es auf die Bühne des kleinen Saals im Winterhuder Fährhaus –, ist locker. Das Verhalten der Mitarbeiter ist familiär, dennoch professionell. „Wir versuchen das Berufliche von dem Privaten so gut es geht zu trennen. Das heißt, außerhalb der Proben sprechen wir nicht über die Proben“, sagt Ayla Yeginer. Natürlich hole sie sich den ein oder anderen Rat ein, sowohl von ihrem Vater als auch von Harald Weiler, dennoch sei es etwas anderes, ob man auf der Bühne stehe oder Regie führe. „Inszenatorisch sage ich gar nichts dazu“, bestätigt Vater Murat.

Ayla und Murat Yeginer verbindet eine besondere Beziehung. Sie sind nicht nur Vater und Tochter, sie sind Freunde und Kollegen. „Wir verstehen uns auf all diesen drei Ebenen hervorragend“, sagt Ayla. Als Murat Yeginer vor einigen Jahren nach Pforzheim zog, sei sie sehr traurig gewesen. Der Kontakt sei aber natürlich nie abgebrochen. Sie telefonieren sehr häufig und versuchen sich regelmäßig zu treffen. „Bei den wichtigen Anlässen ist Ayla immer dabei“, sagt Murat Yeginer. Dass er nun den ganzen Sommer über mit seiner Tochter verbringen kann, genießt der 54-Jährige in vollen Zügen. „Es ist wie ein Familientreffen. Zurzeit hat mich meine jüngere Tochter aufgenommen, vorher habe ich ein paar Wochen bei Ayla gelebt.“ Er strahlt förmlich, als er von den gemeinsamen Unternehmungen und tollen Gesprächen erzählt. „Wir sind irgendwie auf einer Wellenlänge. Du verstehst mich“ , sagt Murat Yeginer, während er auf dem Rand der provisorischen Bühne sitzt und seine Tochter intensiv betrachtet.

Besonders am Herzen liegt den beiden das Weihnachtsfest. „Das feiern wir ganz groß“, sagt Ayla und lacht. „Die ganze Familie kommt zusammen, wir hören dann amerikanische Weihnachtslieder…“ – Murat Yeginer unterbricht: „Und ich mache den gefüllten Truthahn.“ Außerdem schmücke er den Weihnachtsbaum, während die Kinder in der Kirche sind. In der evangelischen. Die Yeginers lieben Weihnachten. Obwohl es sich um ein christliches Fest handelt, das im Heimatland Murat Yeginers, der Türkei, nicht gefeiert wird. Es zeigt die kulturelle Offenheit der Familie.

Das kulturelle und künstlerische Schaffen ist es auch, das Murat Yeginer und seine Tochter Ayla so eng verbindet. „Wir erweitern gemeinsam unseren Horizont. Kunst endet nicht auf der Bühne“, sagt der Schauspieldirektor. Genau deshalb habe er auch nicht eine Sekunde daran gezweifelt, dass die Zusammenarbeit zwischen ihm und seiner Tochter klappen würde. Ayla hingegen war sich im Vorfeld nicht vollkommen sicher. Nun ist sie froh, „dass die Rechnung aufgeht“, sagt sie und fügt hinzu: „Diese Achterbahnfahrt würde ich nicht mit jedem Familienmitglied machen“. Ob die Rechnung am Ende aufgeht und sich das Hamburger Publikum vom Vater-Tochter-Gespann begeistern lässt? „Meine Arbeit endet am Tag der Premiere, dann kann ich nur noch Glück wünschen“, sagt die Regisseurin.

„Das Urteil“ Premiere Sa 3.8., dann Mi 7.–Sa 10.8., jew. 19.30, Theater Kontraster/Komödie Winterhuder Färhhaus (U Hudtwalckerstraße), Hudtwalckerstr. 13, Karten zu 23,-/erm. 17,- unter T. 48 06 8080