Liegen die Hürden für den Einstieg in den Live-Genuss klassischer Musik zu hoch? Der Star-Geiger hilft Einsteigern, sich im Konzertsaal wohlzufühlen.

Hamburg. Klassische Konzerte sind die Sorgenkinder der Kulturveranstalter. Der Altersdurchschnitt des Publikums steigt, Nachwuchs bleibt aus, mancher sieht den klassischen Konzertbetrieb schon aussterben.

Aber wäre das so bedauerlich angesichts immer mehr und perfekterer Aufnahmen? Daniel Hope meint: ja. Natürlich ist der südafrikanisch-britische Geiger, ein international gefragter Solist, parteiisch: "Klassische Musik live ist das Größte", sagt er, "nichts sonst setzt in einem einzigen Moment so viele Glückshormone frei."

Hope hat die Initiative ergriffen. Während sich Veranstalter und Kulturschaffende überall den Kopf über "coole Locations" und neue Konzertformen zerbrechen, nimmt er den Blickwinkel des potenziellen Hörers ein. "Wann darf ich klatschen?" heißt sein Plädoyer, das er mithilfe des Hamburger Autors Wolfgang Knauer verfasst hat. Gestern stand Hope auf dem Programm des Harbour Front Literaturfestivals - mit einer Lesung, dem Lautenisten Stefan Maass und Auszügen aus seiner CD, die wie das Buch am Freitag erscheint.

Am Tag vor der Lesung sitzt er im Café Leonar am Grindel, seinem Lieblingscafé in Hamburg. Auch wer ihn bislang nur auf der Bühne erlebt hat, erkennt ihn gleich am rötlichen Schopf und den Augen, die sofort Kontakt aufnehmen. Die Gewandtheit seines Auftretens, das Tweedjackett und sein erstaunlich flüssiges Deutsch verraten den Weltenbürger. Auf die Idee, das Buch zu schreiben, kam Hope während einer Lesereise mit seinem ersten Buch "Familienstücke": "Da traf ich Leute, die Musik lieben, aber nicht ins Konzert gehen. Das war für mich etwas ganz Neues. Einmal hat sich ein Mann gemeldet und gesagt, er hört gern CDs, aber ins Konzert traut er sich nicht. Da habe ich gedacht: Wie kann man den Menschen dieses Gefühl nehmen?"

Was man kennt, muss man nicht fürchten. Deshalb hat Hope eine kurze, amüsante und treffende Einführung in den klassischen Konzertbetrieb geschrieben. Er beschreibt den Ablauf eines Konzerts, lädt zu einem kurzen Ausflug in die Musikgeschichte ein und erklärt, woher die so unverständlich wirkenden, starren Regeln kommen, die so viele von einem Konzertbesuch abhalten.

Die sind nämlich nicht gottgegeben. Zu Mozarts Zeiten unterhielt man sich während einer Aufführung zwanglos, verließ den Saal, lachte und speiste. Die Musik war zur Unterhaltung des Adels da. Erst mit dem Aufkommen des bürgerlichen Sinfoniekonzerts im 19. Jahrhundert begann man, streng in Reihe zu sitzen und andächtig zu lauschen.

Weil sich diese Benimmregeln in Deutschland bis heute gehalten haben, fühlt sich mancher als Eindringling in einem elitären Kreis von Abonnenten, die lieber unter sich bleiben möchten. Beifall zur falschen Zeit kann einem das Kopfschütteln von Hunderten eintragen - und so ein Erlebnis kann einen Konzertneuling umgehend aus dem Weihetempel der Musik verscheuchen. Auch wollen viele Hörer nicht stundenlang stillsitzen, sondern wie bei einem Rockkonzert Gefühle körperlich ausdrücken. Und dann der vermutete Dresscode!

Dass Konzertkarten teurer als Kinokarten sind, lässt Hope dagegen nur halb gelten: "Ein Fußballspiel oder ein Rockkonzert können viel mehr kosten!" Ernster nimmt er die kurze Aufmerksamkeitsspanne einer Generation, die mit Musikstücken im Clipformat aufgewachsen ist.

An der Musik selbst liegt's nicht, dass Konzerte wenig junges Publikum anlocken, hat Hope bei seinen Feldstudien herausgefunden: Die fänden die Hörer von "ganz okay" bis "saugeil". Das ist doch die Hauptsache.

Daniel Hope: Wann darf ich klatschen? Rowohlt, 256 S., 19,90 Euro