Der Musiker öffnete bei seinem Konzert in der O2 World so manches Herz mit Klassikern wie „Suzanne“ und „Hallelujah“. Dabei ist der Tanz ein wichtiges Element in Leonard Cohens aktuellem Programm.

Hamburg. Bei „I’m Your Man“ hält es eine junge Frau nicht mehr auf ihrem Sitz. Selbstbewusst geht sie vor die Bühne und beginnt langsam-lasziv zu tanzen. Von Leonard Cohen wird sie nicht wahrgenommen, weil er den Song mit geschlossenen Augen singt, doch eine Ordnerin eilt schnell herbei und schickt die Frau zurück auf ihren Platz in Reihe sieben. Noch ist tanzen verboten, doch bei „Take This Waltz“ gibt es kein Halten mehr. Dutzende von Frauen, vom Teenager bis zur Seniorin, erheben sich von ihren Plätzen und strömen nach vorn, um ihrem Idol zu huldigen, Blumensträuße auf die Bühne zu legen und sich im Rhythmus der Musik zu wiegen. Diese Tänze haben etwas von Hingabe, es wirkt, als sei ein Ventil geöffnet worden, als werde nun all den Gefühlen freier Lauf gelassen, die sich während der vergangenen zweieinhalb Stunden bei den Fans aufgestaut haben.

Der Tanz ist ein wichtiges Element in Leonard Cohens aktuellem Programm. Mit „Dance Me To The End Of Love“ hat er das Konzert in der O2-Arena eröffnet, mit „Take This Waltz“ endet er vor dem Zugabenteil, als letzten Song covert er von den Drifters „Save The Last Dance For Me“. Immer, wenn er von der Bühne abgeht, springt, tanzt und hüpft er auf eine putzige Art, die so gar nicht zu dem eleganten Anzug und dem schwarzen Fedora-Hut und erst recht nicht zu seinem Alter passt. Der Kanadier ist immerhin 78 Jahre alt.

Solch intime Momente gelingen nur einem Ausnahmekünstler wie Cohen

Wer Cohen während dieser drei Stunden auf der Bühne beobachtet, bei dem müsste jede Angst vor dem Alter verfliegen. Er bewegt sich federnd, geht beim Singen oft in die Knie und erhebt sich wieder mit der Leichtigkeit einer Gazelle. Trotz einiger jovialer Einlagen bleibt er Grandseigneur durch und durch. Er ist immer noch der charmante Ladies’ Man, der Frauenversteher und Verführer.

Wenn er die ersten Takte von „Suzanne“ auf der akustischen Gitarre zupft, ist im Saal zu spüren, wie so mancher Frau das Herz bei diesem ergreifenden Liebeslied aufgeht. Mit seiner poetischen Gabe beschreibt der singende Schriftsteller darin die platonische Beziehung zu dieser „Suzanne“. Das Lied erschien 1967 im Jahr des „Summer Of Love“, der Zauber dieses Liebesbekenntnisses hat sich aus der Hippie-Zeit bis in die Gegenwart gehalten. Die große Arena verwandelt sich plötzlich in einen intimen Ort. Jeder, der sich intensiv in dieses Lied hineinfühlt, ist nun ganz allein mit Leonard Cohen. Solche Momente schaffen nur Künstler mit einer mächtigen Aura.

Während der drei Stunden gibt es noch mehr magische Momente. Cohens zarte Interpretation von „Hallelujah“ wird zu einem der Höhepunkte des Abends und ist der von Jeff Buckley ebenbürtig. Von den vielen Coverversionen, die Cohens Lied erfahren hat, ist die von Buckley die schönste. Im Programm hat er eine Reihe weiterer Klassiker wie „Bird On The Wire“, „First We Take Manhattan“ und „The Future“. Auch „Lover Lover Lover“ gehört bei der aktuellen Tournee zum Repertoire.

Dass Cohens Konzert zu einem grandiosen Abend wird, verdankt der Poet auch seiner exquisiten Band und den drei Sängerinnen, die ihn stimmgewaltig unterstützen. Rafael Gayol trommelt angemessen dezent, Bassist Roscoe Beck hält die Band auf Kurs, Neil Larsen (Orgel) und Mitch Watkins (Gitarre) musizieren auf hohem Niveau, die Soli von Javier Mas (Gitarre, Laute) und Alexandru Bublitchi (Geige) jedoch machen sprachlos – zumindest diejenigen, die nicht nur herzförmige Augen und Ohren für Leonard Cohen und seine samtene Stimme haben.