Ganz große Gefühle und drei Sänger, die keine Wünsche offenließen: Das Schleswig-Holstein Musik Festival beglückte mit einer barocken Fast-schon-Oper im Ernst Deutsch Theater.

Hamburg. Ein musikalisches Juwel hat das Schleswig-Holstein Musik Festival Hamburg geschenkt mit den beiden Aufführungen von Händels Eifersuchtsstory „Aci, Galatea e Polifemo“ im Ernst Deutsch Theater. Eine barocke Fast-schon-Oper, ganz große Gefühle und drei Sänger, die keine Wünsche offenließen.

Das abgründige Schäferspiel ist schnell erzählt: Die Nymphe Galatea liebt den Hirtenknaben Aci, der Zyklop Polyfem, der auch Homers „Odyssee“ unsicher macht, ist verliebt in die Nymphe, die seine Avancen heftig zurückweist. Polifem, rasend vor Eifersucht, erschlägt Aci mit einem Felsbrocken. Und Galatea sorgt dafür, dass die Blutströme der Ermordeten zu einem Fluss werden, in dem sie dem Geliebten ewig nah sein kann.

Peter Schmidt hat die schlichte Bühne entworfen und das kleine Barock-Orchester konsequent in ihrer Mitte platziert. Rechts und links erinnern zwei Reihen von Zypressen daran, dass Stücke wie dieses zu ihrer Entstehungszeit gern open air in großen Palastgärten aufgeführt wurden, mit knappsten szenischen Andeutungen. Suggestive Videoprojektionen gaben Verständnishilfen – Schlangennest, Felsbrocken, ein fließender Fluss. Und das Auge des Zyklopen, der alles zwingen kann, nur die Liebe nicht.

Herzschmerz pur und im italienischen Libretto eine Steilvorlage nach der anderen für den jungen Händel, der hier 1708, gerade mal 23 Jahre alt, den kompletten Werkzeugkasten seines kompositorischen Könnens nutzt. Komplexe, noch nicht wirklich dem galanten Stil verpflichtete barocke Stimmführungen, manchmal fast harsch in ihrer ungebrochenen Konsequenz, dazu oft instrumental gedachte, immens diffizile Gesangspartien. Barockspezialist Jonathan Cohen, mit dem Christiane Karg ihre aktuelle CD „Amoretti“ eingespielt hat, leitete das Hamburger Ensemble Elbipolis sensibel und transparent durch die Partitur. Die Musiker erwiesen sich bei der Premiere als äußerst spielfreudig, die Oboen und Blockflöten parallel zu den Gesangskoloraturen beseelt und präzise.

Großartig das Sänger-Trio. Allen voran Christiane Karg als Aci in der Hosenrolle des leidenschaftlichen, trotzig aufbegehrenden Liebhabers der Galatea. Es geht unter die Haut zu hören, wie traumsicher sie die Herausforderungen dieser Partie bewältigt, und es berührt ihr tief empfundenes Bühnenspiel. Sie kann einzig mit ihrem Gesicht ein ganzes Drama erzählen, während sie auf einem Stuhl still dasitzt und dem Nymphengesang lauscht. Karg setzt ihr großes, strahlendes Forte nur selten ein, aber dann lässt sie es glänzend aufblitzen, ohne dabei scharf zu wirken. Sie kann das zarteste Pianissimo präsent halten und beweist dabei ihren wunderbaren Sinn für die barocken Koloraturen und Auszierungen, die bei ihr raffiniert, elegant und dabei ganz natürlich klingen. Kongenial Christopher Purves, der das unheilvoll verliebte Monster Polifem liebevoll, manchmal sogar komödiantisch gestaltet. Das ist bei ihm nicht einfach ein eifersüchtiger Steinewerfer, sondern auch ein ganz normaler Mann, der sich vergebens nach Liebe sehnt. Seine Stimme steigt hinunter in furchterregende Tiefgeschosse der Basslage, bei denen sich die Nackenhaare aufstellen. Und ist in den hohen Lagen gleichwohl zart, galant, träumerisch.

Die Galatea gab Hilary Summers, mit einem Mezzosopran, der irritierend stark, aber durchaus passend an das Timbre eines Contra-Alts erinnerte und bestens Kargs klaren Sopran unterlegen kann. Nach dem wunderhübschen Schlussterzett, das die Liebe preist und die Hoffnung der Enttäuschten gleich mit, war im ausverkauften Haus nur eines zu spüren: pures Glück.

Für alle, die das live verpasst haben, hat der NDR die Premiere aufgezeichnet. Gesendet wird sie am 28. Juli um 11.00 Uhr als „Sonntagskonzert“ auf NDR Kultur.