Die NDR-Dokumentation “Der Schneekönig“ über den Kokaindealer Ronald Miehling liefert Innenansichten aus dem Hamburger Drogenmilieu.

Sein Bekenntnis ist eindeutig. „Ich wollte kriminell werden“, sagt Ronald Miehling. Der „Schneekönig“ sieht frontal in die Kamera. Ein Bedauern über seine Taten äußert der glatzköpfige bullige Mann nicht. „Ich bereue nichts. Du weißt doch, was du tust.“ In seinem Fall war das Drogenhandel im großen Stil. Miehling, der im Milieu „Blacky“ genannt wird, war einer der größten Kokaindealer in Deutschland mit besten Beziehungen zu den kolumbianischen Kartellen, ein deutscher Escobar. Er führte ein Leben zwischen Kiez und Knast. Wenn er draußen war, lebte Miehling in Saus und Braus, und schüttete einem Autoverkäufer schon mal 300.000 Mark aus einer Aldi-Tüte vor die Füße, um sich ein Mercedes-Cabrio zu kaufen. „Vielleicht habe ich zu viel Knast gemacht“, sagt er heute.

Ein Jahr lang haben die Autoren Johannes Edelhoff und Timo Großpietsch den ehemaligen Kokainhändler mit der Kamera begleitet, denn Miehling gehört seit 2011 zu den sogenannten Freigängern. Spätestens 2014 darf er die Strafvollzugsanstalt Fuhlsbüttel wieder verlassen, im Moment wird der 63 Jahre alte Mann auf die Rückkehr in das normale Leben vorbereitet. Ihre Dokumentation „Der Schneekönig“ zeichnet die Verbrecherkarriere von Miehling nach, liefert Innenansichten aus dem kriminellen Hamburger Milieu. Normalerweise ist diese Welt hermetisch abgeschottet, aber Miehling und andere Kumpels von früher, die alle aus dem Geschäft mit der weißen Droge ausgestiegen sind, erzählen vor der Kamera sehr freimütig über ihre erfolgreichen Gangsterkarrieren in den 90er-Jahren.

Ronald Miehlings zweifelhafte Laufbahn fing an, als er noch ein Teenager war. Der Sohn eines Polizisten kam das erste Mal im Alter von 18 Jahren wegen schweren Raubs ins Gefängnis. Ende der 70er-Jahre flimmerte ein nachgestellter Fall in der Serie „Aktenzeichen XY – ungelöst“ über die Fernsehschirme, in der es um die Ermordung des Fleischgroßhändlers Manfred Hering in Jesteburg geht. Miehling war damals einer der beiden Täter. Im Mai 1980 wurde er vom Landgericht Stade zu einer zehnjährigen Haftstrafe wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. „Das ist der schwarze Punkt auf meiner Weste. Das bereue ich heute noch“, sagt Miehling in die Kamera. Doch die lange Haft hat ihn nicht davor bewahrt, seine kriminelle Karriere fortzusetzen. „Egal, was wir angepackt haben, es hat geklappt“, erzählt er und lacht dabei.

Es wirkt etwas befremdlich, mit welcher Jovialität Miehling sein Leben und seine Verbrechen schildert. „Er ist schon ein echter Menschenfänger: umgänglich und sympathisch“, schildert Autor Großpietsch den „Schneekönig“. Die Seite der Opfer haben die beiden Dokumentarfilmer mit Absicht weggelassen. Miehling ist zum Beispiel nicht klar, dass Kokain auch zur Herstellung des gefährlichen Crack benutzt wird. „Ich kenne keinen, der an Kokain zerbrochen ist“, sagt er. „Drogendealer hinterlassen Opfer und Leid. Dessen ist Miehling sich aber gar nicht so bewusst. Wir haben uns entschieden, in unserem Film die Täterperspektive zu zeigen“, erklärt Großpietsch. „Anders als bei Gewaltverbrechern kommt der Drogenboss den Opfern – also vor allem den Süchtigen und deren Familienangehörigen – ja nicht so nah. Er kann das von sich wegschieben, verdrängen, und das hat Miehling auch gemacht.“

Die Dokumentation schildert seinen Aufstieg zum Drogenboss und zum europäischen Statthalter der kolumbianischen Kartelle. Sie zeigt Miehlings Größenwahn, die natürlich auch Polizei und Zollfahndung aktiv werden lassen. „Wir kriegen sie doch alle“, sagt ein Ermittler, dessen Gesicht für die Kamera unkenntlich gemacht worden ist. 1992 sind die Fahnder an Miehling dran, doch er kann spektakulär mit einem Auto entkommen, weil er den Polizeifunk abhört und sich mit falschen Papieren nach Kolumbien absetzt. 1996 wird er geschnappt und zu zwölf Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. 2003 wird er mit einer guten Prognose entlassen. Doch der „Abenteurer“ Miehling, wie er selber über sich sagt, fliegt wieder nach Kolumbien und fädelt die nächsten Deals ein. Im November 2005 wird er wieder verhaftet. „Blacky Miehling machte da weiter, wo er aufgehört hat“, zitierte das Abendblatt nach der Festnahme einen Ermittler.

Wenn „Blacky“ Miehling im kommenden Jahr frei kommt, will er sauber bleiben. Er weiß, dass ihm beim nächsten Drogenverfahren bis zu 15 Jahre Haft drohen. Mit anderen Ex-Knackis will er bei einem Anti-Drogen-Verein in Marburg mitarbeiten und dort zurückgezogen leben. Nur am Wochenende will er die hessische Kleinstadt verlassen „und nach Hamburg raufdonnern“. Die Fahnder sind skeptisch und bezweifeln, dass Miehling sich vom Saulus zum Paulus wandelt. Einer sagt aus dem Off: „Ich glaube nicht, dass er sich ändert. Für mich ist er ein Berufsverbrecher.“

„Der Schneekönig“, heute, 22.45 Uhr, ARD