Die Privattheatertage starten heute in die zweite Runde und präsentieren zwölf ausgewählte Inszenierungen. Ein Gastspiel des Münchner Metropol Theaters eröffnet das Programm in den Kammerspielen.

Hamburg. Theaterbegeisterung erfordert zuweilen Kondition und gute Nerven. Im eiskalten Frühjahr fuhren die neun Juroren des Privattheaterfestivals kreuz und quer durch die Republik, um 72 Aufführungen zu besuchen. Mal in Großstädten, mal auf dem Dorfe. „Wir haben uns die Beine auf Bahnhöfen abgefroren“, erinnert sich Regisseur Hartmut Uhlemann und lacht. „Wir zitterten uns durch Deutschland.“ Die Experten brachten 93.000 Kilometer Fahrt hinter sich. Sie erwärmten sich aber dann doch schnell – immer wieder überrascht – für das Engagement, den Mut, die Qualität und Sorgfalt in der Arbeit der oft kleinen, teilweise oder gar nicht subventionierten privaten Bühnen. Die Ergebnisse der Kunst-Expeditionen präsentiert Axel Schneider ab diesem Dienstag in der zweiten Ausgabe der Privattheatertage. Ein Gastspiel des Münchner Metropol Theaters mit Jochen Schölchs Inszenierung des irischen Familiendramas „Portia Coughlan“ eröffnet das Programm in den Kammerspielen.

Die Reise-Jury hat mit Schneiders Grundidee für das Festival zu tun: „Ich wollte als Kollege nicht darüber bestimmen, welche Inszenierungen ich einlade, und gab das in andere Hände. Es geht mir darum, dem Publikum ein Forum zu bieten, das als Leistungsschau zeigt, wie vielfältig die Formen der privaten Theater sind. Es soll keine Besten-Show sein wie das Berliner Theatertreffen.“ Natürlich entsprächen die Produktionen qualitativen Maßstäben, seien aber sehr unterschiedlich, um das breite Spektrum vom Klassiker bis zum Puppenspiel zu illustrieren. „Der olympische Gedanke zählt: Dabei sein ist alles.“

Akzeptanz und Kooperation der Hamburger Kollegen hat sich verbessert

Die Juroren für die Kategorien zeitgenössisches Drama, moderne Klassiker und Komödie rekrutierte Dramaturgin Sonja Valentin. „Ich achte auf das Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen, Älteren und Jungen“, sagt die „Jury-Mutter“. „Alle sollen Theater mögen oder einen beruflichen Bezug dazu haben, zugleich aber aus verschiedenen Bereichen kommen.“ Die Schauspieler Anja Topf und Marc Letzig, der zugleich Dozent an der Theaterakademie ist, Regisseur Uhlemann und Bühnenbildner Christian Steiof gehören zum Gremium. Aber auch Verlagsleiter Moritz Staemmler (Felix Bloch Erben), Theaterproduzent Bertram Schulte, die frühere Fernsehjournalistin Marietta Westphal, Lehrer Uwe Vagt und der Student Woody Mues aus einer Theaterfamilie.

Wie die besuchten Theater den Juroren freudig entgegenfieberten, sich rührend um sie kümmerten, belegt ein Erlebnis, das Anja Topf erzählt: „Wir dachten, die Vorstellung begänne um halb acht Uhr. Als wir dann ankamen, der Schock: Wir sind zu spät. Aber sie haben ganz lieb auf uns gewartet.“ Hartmut Uhlemann („Blütenträume“ am EDT, „So oder so – Hildegard Knef“ mit Gilla Cremer), zuständig für zeitgenössisches Drama, hat 20 Aufführungen besucht. Zehn davon kamen in die engere Wahl. Bei zwei Produktionen waren er und die Mitjuroren Mues und Steiof sich rasch einig. „Für die zwei anderen kamen schließlich fünf infrage, und da wurde heftig debattiert.“ Über den Blickwinkel der anderen habe sich seine eigene Sicht geschärft und erweitert. „Fand ich sehr bereichernd, lernte auch die anderen besser über ihre Argumentation zu verstehen.“

Kritisierten manche Hamburger Kollegen den Start der Privattheatertage 2011 als einen übereilten, nicht ausdiskutierten „Schnellschuss“ Schneiders, entspannte sich nach dem Erfolg mit 4000 Besuchern die Situation. Akzeptanz und Kooperation verbesserten sich, betont der Festival-Initiator. „Es sind fünf neue Spielorte dabei, das spricht doch für sich. Es gab weitere Bewerber, aber das hat vom Spielplan oder den Raumbedingungen her nicht gepasst.“ Hamburger Inszenierungen seien prinzipiell nicht ausgeschlossen. Das Problem aller Privaten ohne festes Ensemble sei jedoch, termingerecht eine Produktion wieder aufzunehmen, darum bewirbt sich nur etwa ein Viertel der 280 Bühnen in Deutschland.

Komödien-Direktor Michael Lang blockierte diesmal rechtzeitig einen Termin (für das Gastspiel am 10. Juni „Benefiz. Jeder rettet einen Afrikaner“ gibt es noch Karten), vermisst jedoch ein Festivalzentrum. „Wir haben an einen Charterbus nach den Vorstellungen gedacht, aber wieder verworfen“, erklärt Schneider. „Das Zentrum ist da, wo gespielt wird, die Besucher bleiben meistens. Da braucht es kein Spiegelzelt.“ Bis auf einen Tag gibt es diesmal keine Doppelvorstellungen. „Das Festival dauert länger, dafür hat das Publikum die Möglichkeit, mehr zu sehen.“

Privattheatertage 4.–16.6., Karten gibt es unter Tel. 413 34 40; www.privattheatertage.de