Das Drama „Freier Fall“ verzichtet auf Klischees

Laufen befreit. Man entflieht dem Alltagsstress, ist für eine Zeit in der Natur ganz bei sich. Kein Termin, kein Telefon, kein Vorgesetzter. Wenn man eine Weile gelaufen ist, schießen Glückshormone in den Kopf. Die spürt auch Marc (Hanno Koffler) beim Waldlauf, allerdings aus einem anderen Grund.

Gerade hat ihm Kay (Max Riemelt) einen Kuss auf den Mund gedrückt, völlig unvermittelt. Marc ist völlig überrumpelt, lässt es aber geschehen, auch die Berührungen, bevor er Reißaus nimmt. Er ist verwirrt von den Gefühlen, die diese in ihm auslösen, denn Kay ist sein Polizeikollege, den er jüngst auf einer Fortbildung kennengelernt hat. Ein cooler Typ, der kifft und einen Jeep fährt und beim gemeinsamen Joggen immer schneller ist als Marc.

Marc ist eigentlich gar nicht schwul. Im Gegenteil, jüngst ist er mit seiner schwangeren Freundin Bettina (Katharina Schüttler) in einen Neubau mit Garten neben seinen Eltern gezogen. Sein grundsolides Leben in der süddeutschen Provinz ist gut eingerichtet, sein Job macht ihm Spaß. Doch jetzt versteht er sich und die Welt nicht mehr. Er liebt Bettina, begehrt sie immer noch. Aber da erwacht etwas in ihm, das er am liebsten verdrängt.

Und das hätte es auch gewesen sein können, eine kleine Episode im Wald, wenn sich Kay eine Weile nach dem Lehrgang nicht in Marcs Einheit versetzen lassen würde. Die beiden beginnen, sich heimlich zu treffen, meistens in Kays Wohnung, doch der will bald mehr. Marc aber hält fast panisch an seinem alten Leben fest. Bei einer Razzia in einer Schwulenkneipe ist auch Kay einer der Gäste, seine homophoben Kollegen wissen jetzt Bescheid. Und machen Kay das Leben zur Hölle. Und auch Marc muss sich bald vor seiner Freundin und den spießigen Eltern rechtfertigen.

Stephan Lacants Regiedebüt „Freier Fall“ erinnert an „Brokeback Mountain“, den schwulen Western. Wie jener Film zielt auch dieses Provinzdrama ganz bewusst auf ein breites Publikum, nicht nur durch die Besetzung mit zwei Jungstars. Max Riemelt und Hanno Koffler spielen das Liebespaar unverkrampft und ohne peinliche Klischees. So unverschämt intim und sexy waren zwei Männer im deutschen Kino noch nicht zu sehen.

+++-- „Freier Fall“ D 2013, 100 Min., ab 12 J., R: Stephan Lacant, D: Hanno Koffler, Max Riemelt, täglich im Abaton; www.freierfall-film.de