Spannende Bücher über subkulturelle Kunst und Design gibt es im neuen Rebel Arts Bookshop im Karolinenviertel. Hier trifft man auf ein spezielles Verlagsprogramm, das einen ziemlich persönlichen Stempel trägt.

Hamburg. Eiche rustikal und Gelsenkirchener Barock galten jahrzehntelang als Inbegriff spießiger Kleinbürgerlichkeit. Kaum jemand hätte es sich träumen lassen, dass die mittelbraunen Möbel mit aufgesetzten Kassetten dereinst – dekonstruiert, auseinandergesägt und neu zu einer Wand mit Miniregalen zusammengesteckt – als Lesehöhle für subkulturelle Kunstbücher dienen würden.

An der hinteren Wand des Rebel Arts Bookshops, dessen Wände der Künstler Frank Breker mit solchen Versatzstücken gemütlich eingerichtet hat, prangt das große, kraftvolle Logo des Künstlers Shepard Fairey. Schon die Gestaltung des kleinen Showrooms kann man als Visitenkarte des amerikanisch-deutschen Verlages Gingko Press sehen, der hier vor wenigen Wochen seinen einzigen Deutschland-Laden eröffnet hat. Einst, in den wilden 80erJahren, wurde er in Hamburg gegründet, bevor man ihn 1996 nach Berkeley verlegte. Wer den neuen Laden betritt, muss zuerst mal durch den Plattenladen Groove City durch, der sich auf Soul und Hip-Hop spezialisiert hat, und die Musik auch dann hören, wenn er in den aufwendig und kunstsinnig gestalteten Bänden blättert.

Natürlich gibt es auch bei anderen kunstaffinen Buchhändlern vereinzelt Bücher der Art, wie sie in der Markstraße im Karolinenviertel zu finden sind. Aber hier trifft man geballt auf ein kleines, spezielles Verlagsprogramm, das schon einen ziemlich persönlichen Stempel trägt. Den Stempel des amerikanischen Buchhändlers und Verlegers Mo Cohen und seines Lektors David Lopes. Schon in den 80ern, als Graffito noch als Schmiererei galt und als kriminell geahndet wurde, erkannte Lopes, dass es hier oft um Kunst ging. Er mischte sich in die Szene und unterstützte sie durch Publikationen. Alte, stabile Freundschaften und eine tiefe Verbindung mit einzelnen Schlüsselfiguren der subkulturellen Szene in Deutschland und Amerika haben dieses interessante Verlagsprogramm entstehen lassen, das aus dem Netzwerk-Gedanken seine Potenz bezieht.

Gingko Press arbeitet nicht nur mit amerikanischen Kunstmagazinen wie „Juxtapoz“ zusammen, und das schon seit neun Jahren. Darüber hinaus kooperiert er mit Partnern aus dem Grafikdesign, wie dem Verlag victionary aus Hongkong. „Viele dieser toll gemachten Bücher werden zur Anregung für Gestalter gemacht. Es sind verspielte Gebrauchsbücher“, sagt Anika Heusermann, die hier arbeitet.

Wen es hierhin verschlägt, den treibt „ein schräger Blick auf Subkultur, das Interesse an visueller Kunst, an Street Art. Auch Touristen reagieren sehr stark darauf“, erzählt Anika Heusermann. Bei Rebel Arts gibt es echte, manchmal sogar signierte Raritäten („viel günstiger als im Internet“, sagt Mo Cohen), Bücher über Fotografie, Tattookunst, Tags, Graffiti, Architektur, Popkultur, Typografie, Grafik-, Produkt- und Modedesign.

Drei Bücher, für die allein sich der Gang in die Marktstraße lohnt: „Made for Skate“ steht auf einem großen Einband mit zwei schmutzigen nackten Füßen vorn drauf. Drinnen wird die Geschichte des Skateboardens von den 50er-Jahren bis heute anhand von Fotos verschlissener, poröser, und manchmal sogar angebrannter Skater-Schuhe erzählt – Trophäen einer umfangreich dokumentierten athletischen Bewegungskunst, die den städtischen Raum als riesiges Spielfeld für glückselige Draufgänger erobert hat.

Daneben liegt die mächtige Monografie, für die Gingko Press vielleicht am ehesten steht. Sie breitet den urbanen Kosmos des Künstlers Shepard Fairey aus, von dem Mo Cohen schon Bücher gedruckt hat, als er noch sein Markenzeichen, ein orakelhaft gezeichnetes Big-Brother-is-watching-you-Gesicht, illegal auf Häuserwände aufklebte. „Obey“ („Gehorche“) heißt der opulente Bild- und Fotoband von Shepard Fairey. Seine Konterfeis sind längst als Kunst anerkannt und werden teuer gehandelt. Im Laufe seines riskanten Künstlerlebens inklusive 13 Verhaftungen entdeckte Fairey sein Interesse an kommunistischen Propaganda-Plakaten, und er wandelte sie ab zu heldischen Porträts. Auch inoffzielle Wahlplakate für Barak Obama hat er entworfen. „Hope“ stand drunter, und bald waren sie die eigentlich begehrte Ware. Der Bildband des antikapitalistischen Stadtpoeten kostet 49,90 Euro. Gingko Press hat auch ein kleineres Buch seines englischen Street-Art-Kollegen Banksy herausgebracht. Ein Stencil-Kunstwerk von Banksy hat die Hamburger Kulturbehörde kürzlich in der Steinwegpassage unter Plexiglas gesetzt und mit einer Tafel als Kunstwerk gekennzeichnet.

Auf zwei glückliche Fügungen will Mo Cohen noch aufmerksam machen. Zum einen hat er 2005 die Briefe von Charles Bukowski auf Deutsch veröffentlicht – mit Riesenerfolg. Zum anderen besitzt er die Weltrechte an den von ihm neu aufgelegten Schriften des Philosophen und Medientheoretikers Marshall McLuhan. Von ihm stammt die provokante Aussage, dass die wirkliche Universität die Straße sei. Womöglich hatte er damit ja wirklich recht.

Rebel Arts Bookshop Marktstraße 114, Mo bis Sa 11 bis 18 Uhr