Stefan Kolosko und Autorin Nina Ender eröffnen die „Old School“-Reihe auf Kampnagel mit „Hamletanstalt“

Hamburg. Der erste Eindruck: Der Probenraum KX auf Kampnagel ist das totale Chaos. Und doch hat alles seine Ordnung. Ein Kreis aus Stühlen markiert die Spielfläche mit Podest. Hinter Leintüchern, hinten in einer Raumecke sind Matratzenlager aufgeschlagen. In einer anderen stehen Flaschenbatterien und Nahrungsmittel. Es ist die Teeküche für Nina Ender, Stefan Kolosko und ihre Spielergruppe. Hier probieren und wohnen die Autorin und der Regisseur, arbeiten an ihrem Stück „Hamletanstalt – Ein Luxusoratorium“. Das Inklusive-Projekt mit Demenzkranken, Schauspielern und Musikern eröffnet die Veranstaltungsreihe „Old School – Von Alten lernen“ auf Kampnagel.

„Leben und Kunst sind eins“, lautet Enders und Koloskos Credo. „Theater ereignet sich im Augenblick“, spricht der Regisseur im weißen Gewand, hebt die Arme und gibt dem Chor der Alten den Einsatz, dirigiert ihn emphatisch, gibt Pausen und Takt vor. Inmitten der Unordnung herrscht Genauigkeit und Konzentration. Die Wachheit der zum Teil an Alzheimer erkrankten Akteure erstaunt. Sie sind mit Feuereifer bei der Sache, leben richtig auf. Nur einem Patienten wird’s zu laut. Er schaltet einfach sein Hörgerät aus, setzt sich zu seinen Verwandten. Denn jeder Demenzkranke wird begleitet und betreut. Auch Margot Holtgreife von der Alzheimer Gesellschaft Hamburg besucht die Proben und ist von der Wirkung auf die Kranken schwer beeindruckt. Musiker Lukas Rauchstein feuert auf dem Akkordeon den Chor gerade zum Morgenappell-Song aus dem „Alzheimer Aufklärungsmusical“ an: „Mit meinem Hörgerät hör ich jeden Stör ...“

Wie schon in ihrem Projekt „Untergang 2“ errichtet das Kreativduo mit der bildenden Künstlerin Angela Ender und der Gruppe eine begehbare Installation mit dem im Probenraum angesammelten Krankenhaus-Inventar. Sie nennen es Bühnenstadt. Ender und Kolosko, der bei Einar Schleef und Christoph Schlingensief in die Schule ging, wollen die Rampen-Grenzen zwischen Spielern und Zuschauern auflösen, wie sie für die „Hamletanstalt“ auch die soziale Ausgrenzung von Kranken in Heimen aufbrechen, sie dort besuchten, mit ihnen sangen und spielten, auch um sie zum Mitmachen zu animieren.

„Old School – Von Alten lernen“, die Projektreihe bis zum 18. Mai, bringt zum Start auch Maria Magdalena Ludewigs Musiktheaterabend „Dem Weggehen zugewandt“, an dem die Fassbinder-Schauspielerin Irm Hermann und das Ensemble Kaleidoskop teilnehmen. Auch das Spielkasino „Verschwende deine Rente“ (16.5., ab 18 Uhr) öffnet. Es gibt Lesungen und am Sonnabend das Vortragsprogramm (ab 10 Uhr), bei dem nicht nur Fachleute, sondern auch die Künstler Position beziehen.

Ender und Kolosko stellen in ihrer „kaiserlichen Altenanstalt“ die Werte der Leistungsgesellschaft in Frage, deren Vorstellungen von Krankheit und Gesundheit, aber auch von Normen der Ästhetik und Schönheit in der Kunst. Und praktizieren furios ihre Diagnose: Spielen ist die beste Medizin.

„Hamletanstalt – Ein Luxusoratorium“ und „Dem Weggehen zugewandt“ 16.5., jeweils 19.30, Kampnagel, Karten unter T. 27 09 49 49

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