Dockville und Roskilde verbrüdern sich sechs Tage lang mit Konzerten und Workshops und Performances

Hamburg. Auf den ersten Blick gibt es eigentlich wenig Gemeinsamkeiten zwischen dem dänischen RoskildeFestival und dem Hamburger MS Dockville Festival. Roskilde, das ist ein seit 1971 fest im Kalender des Rock-‘n‘-Roll-Wahnsinns verankerter Pflichttermin, zu dem jährlich 75.000 Schlammsuhler aus der ganzen Welt pilgern. Als Headliner kommen Künstler, die eigentlich selber Stadien füllen, von Metallica bis Bruce Springsteen. Und dann ist da Dockville, die 2007 erdachte Kunst- und Kulturmomentaufnahme in Wilhelmsburg mit 20.000 Besuchern (2012). Manche, munkelt man, kommen sogar aus Berlin, um Bands zu sehen, die so cool sind, dass sie noch keine 100 Facebook-Anhänger haben. Gut, wir übertreiben. Aber es sind zwei Welten.

Und doch reisen die dänischen Festivalprofis bei ihrem „Roskilde Roadtrip“ nach Hamburg, um von Montag an bis Sonnabend auf dem DockvilleKunstcamp-Areal eine Art Praktikum zu machen. Ein Erfahrungsaustausch mit Konzerten, Workshops sowie Performance- und Kunstprojekten.

Der Roskilde Roadtrip läutet die Gestaltung des Dockville-Jahres 2013 ein. Zwar ist das Festival im August der Höhepunkt, aber die Zeit bis dahin wird genutzt, um dem Gelände am Reiherstieg-Hauptdeich erstes kulturelles Leben einzuhauchen, alte Spuren aufzudecken, Bühnen und interaktive Objekte zu entwerfen und zu bauen. Ein erster Impuls für das Kunstcamp vom 1.August an, bei dem in den vergangenen Jahren Kissenmobiles, Klangwippen und Bewegungsmelder ohne Bewegungssensor entstanden. Oder eine Blockhütte, die beim Festival von der Feuerwehr kontrolliert abgefackelt wurde. Vergänglichkeit. Rückgabe an die Natur. Oder eine Provokation. Die Kunstobjekte sind gern frei interpretierbar, begehbar, benutzbar. Spirituell gesehen ist der Roadtrip auch eine Weihung. Jeder ist eingeladen, ein Teil von Geschehen und Gelände zu werden.

Das ist auch der Ansatz, der die Organisatoren des Roskilde-Festivals beim Blick über die Grenze besonders neugierig gemacht hat. „Sie fanden das inhaltlich so spannend, dass sie nun auch den Kunstbereich in Roskilde ausbauen wollen. Der Roadtrip nach Hamburg ist die Inspiration, und die Erfahrungen werden in Dänemark umgesetzt“, erzählt Dockville-Organisator Jean Rehders, der schon stolz ist, wie weit die Strahlkraft der Ideen seines Teams und der vielen Helfer reichen. Dabei kann Dockville auch viel von Roskilde lernen: „Über 20.000 freiwillige Helfer engagieren sich für das Roskilde-Festival. Dieses persönliche Engagement und seine entsprechende Integration sind schlicht beeindruckend.“

Eine gute Basis für ein persönliches Kennenlernen also, wie es in einer Praktikumsbewerbung heißen könnte. Am Montag beginnt der Roskilde Roadtrip mit dem Bauen, Planen, Ent- und Verwerfen. Jeder Interessierte darf und soll sich einbringen, so kann man mit dem Pantheon-Bar-Kollektiv die Festival-Bars gestalten, mit dem Kollektiv Butterland die Butterland-Bühne dekorieren oder mit dem Team von Stegreif Festivalarchitektur und Studenten der HafenCity-Universität festivaltaugliche Möbel designen.

Nicht weniger fleißig geht es am Donnerstag, Freitag und Sonnabend weiter. Allerdings wird es viel besser klingen, weil das Roskilde-Festival einige seiner Geheimtipp-Bands mitbringt, die von Hamburger Favoriten der Dockville-Crew verstärkt werden. So spielen am Donnerstag (20Uhr) die dänischen Gäste von Bottled In England, das Hamburger Electro-Pop-Duo Die Vögel und ihre Brüder im Geiste RAF & Thomas Becker. Am Freitag (20Uhr) heißen die dänischen Gäste Ice Cream Cathedral und Broke, kommen aus Kopenhagen und kratzen an den Konventionen von Shoegaze und Krautrock. Das selbstzerstörende Trümmerpop-Duo Zucker fegt die Reste auf. Sonnabend geht es weiter in den Norden mit den beiden Neo-Disco-Norwegern von Lemaître und Hamburgs bestem elektronischen Teilchenbeschleuniger DJ Phono.

Und dann ist das Gelände geweiht. Vom 16. bis zum 18. August wird schließlich Kunst Musik, wird Musik Kunst, wenn Foals, The Lumineers und all die Bands und Fans erleben, was seit April entstanden ist.

MS Dockville Kunstcamp — Roskilde Roadtrip Mo 15.4. bis Sa 20.4.; Mo—Mi 11.00—19.00, Do—Sa ab 17.00, Eintritt frei; MS Dockville Festival Fr 16.8. bis So 18.8., Karten ab 79,- im Vorverkauf; Reiherstieg-Hauptdeich, Ecke Alte Schleuse (S Wilhelmsburg + Metrobus13), www.msdockville.de