Zum zweiten Mal ermittelt Devid Striesow als “Tatort“-Ermittler an diesem Sonntag im Saarland. Was humorvoll wirken soll, ist vor allem albern.

Es werden immer mehr. 21 Kommissare und Ermittlerteams tummeln sich zurzeit unter dem "Tatort"-Signet und verfolgen und verhören sonntags zur besten Sendezeit Verdächtige. Da braucht es dringend Alleinstellungsmerkmale, um sich voneinander abzuheben. Deshalb darf Hauptkommissar Stellbrink, gespielt von Devid Striesow, mit dem Motorroller auf Verbrecherjagd gehen und zur Entspannung einen Joint durchziehen. In Saarbrücken haben die "Tatort"-Uhren schon immer etwas anders getickt. Max Palu, einer von Stellbrinks Vorgängern, radelte per Fahrrad von Tatort zu Tatort, meistens mit einem Baguette unterm Arm.

Jede Sendeanstalt der ARD darf sich ihre Kriminalisten leisten, und jede macht auch Gebrauch davon. Da ist der Druck für die Verantwortlichen in den Funkhäusern groß, es gilt nicht nur den Zuschauer zu unterhalten, sondern auch eine möglichst hohe Einschaltquote zu erzielen. Gar nicht so einfach, denn das deutsche Fernsehen gilt nicht als Schlaraffenland für Drehbücher, viele Storys sind Konfektionsware. Der Saarländische Rundfunk setzt mit Striesow auf die Formel "Tatort" plus Humor plus bekannte Schauspieler und hofft mit dieser Strategie auf ähnliche Ergebnisse wie sie gerade die Humoristen in Münster erzielt haben.

Das Duo Thiel und Boerne hat mit annähernd 13 Millionen Zuschauern im vergangenen Monat die beste Quote seit 1993 erzielt und sogar das starke Ergebnis des ersten Til-Schweiger-"Tatorts" mit etwa 12,5 Millionen Zuchauern übertrumpfen können. Der Münster-"Tatort" hat nur noch bedingt etwas mit einem herkömmlichen Krimi zu tun. Mord und Totschlag dient dazu, die Handlung voranzubringen, denn in erster Linie dreht sich alles um den Klamauk zwischen dem ewig missmutigen Kommissar Thiel (Axel Prahl) und den großkotzigen Rechtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers). Diese Art der Komödie bringt deutlich mehr Quote als zum Beispiel die düsteren und abgründigen Fälle, mit denen sich etwa Joachim Król und Nina Kunzendorf im Frankfurter Milieu herumschlagen.

An diesem Sonntag führt der "Tatort" ins Rockermilieu von Saarbrücken. "Rüde", ein Mitglied der Dark Dogs, wird tot aufgefunden. Er wurde ermordet. Stellbrink rollert mit seiner Vespa zum Tatort. Pferdestärkenmäßig ist er mit seinem Roller den Harleys der Dark Dogs deutlich unterlegen, aber mit dem Mundwerk und Bonmots wie dem Satz "Lernt den Zauberstab der Analogie zu gebrauchen" wähnt er sich weit vorne. Ein Novalis-Zitat allein macht jedoch noch keinen spannenden - oder lustigen - "Tatort". Die tätowierten Gestalten nehmen den Typen von der "Bullerei" nicht wirklich ernst, sie selber wirken allerdings auch nicht besonders bedrohlich. Zu stereotyp sind die schmierigen Haare, die großflächigen Tattoos und die Rocker-Kutten. Der Fall ist nicht wirklich spannend, Striesows Figur wirkt albern, aber nicht komisch. Trotz seiner unumstrittenen Fähigkeiten als Schauspieler kann er diese Folge mit seinen Kaspereien nicht retten. Auch seine Sidekicks wie Staatsanwältin Nicole Dubois bringen keine Farbe in die saarländische Tristesse.

Schon zum zweiten Mal darf Striesow in diesem Jahr ermitteln. Doch seine Figur steht unter keinem guten Stern. Bei seinem ersten Fall, "Melinda", hagelte es Verrisse, die FAZ bezeichnete die Folge gar als "Gesamtkatastrophe". Mit den immer neuen "Tatort"-Ermittlern droht inzwischen eine Verwässerung der Marke und ein Qualitätsverlust. Die seit 1970 laufende Krimi-Reihe hat es am Sonntagabend zu einem kollektiven Fernsehvergnügen geschafft, selbst in Kneipen haben sich "Tatort"-Zirkel gebildet, die gemeinsam für 90 Minuten in bundesdeutsche Milieus eintauchen. Da verwundert es nicht, dass Horst Schimanski wieder aktiviert wird. Götz George ist zum "Tatort"-Mythos geworden. Mehr Alleinstellungsmerkmal als Schimanski geht nicht, davon ist Striesow meilenweit entfernt.

"Tatort: Eine Handvoll Paradies" So, 20.15, ARD