Mit dem christlichen Mittelalter setzt das Museum für Kunst und Gewerbe seinen Zyklus der Weltreligionen fort. Eröffnung am Sonntag.

Hamburg. Zwischen Antike und Neuzeit gab es auch Kaiser und Minnesänger, doch die Kultur der profanen Welt spielt in der neuen Mittelalter-Abteilung des Museums für Kunst und Gewerbe nur eine Nebenrolle, denn im Vordergrund steht hier die Religion. Damit setzt das Haus am Steintorplatz sein Projekt fort, Kunst und Kunsthandwerk nicht mehr nach Stilen und Materialien vorzustellen, sondern aus den jeweiligen Glaubensvorstellungen heraus zu erklären. Nach dem Auftakt mit der Abteilung Buddhismus, wo es um fernöstliche Kunst geht, folgt nun das christliche Mittelalter, abgeschlossen wird das Projekt "Weltreligionen" im kommenden Jahr mit dem Islam.

Die Geburt Christi, der Tod am Kreuz und die Auferstehung sind die Grundpfeiler des christlichen Glaubens, denen je einer der Haupträume gewidmet ist. Für die Menschen des Mittelalters, von denen die allermeisten nicht lesen konnten, spielte die Visualisierung dieser Glaubensinhalte eine wichtige Rolle. So erklärt sich die enorme Bildhaftigkeit der christlichen Kunst jener Zeit. Im ersten Raum, wo es um die Menschwerdung Gottes geht, begegnet uns das von Georg Erhart um 1500 geschnitzte spätgotische Christuskind aus einem schwäbischen Zisterzienserinnenkloster, das die Hinwendung Gottes zu den Menschen in anrührender Weise zum Ausdruck bringt. Der Knabe ist inzwischen zum Sympathie- und Werbeträger der neuen Abteilung avanciert. Als Herrschaftsgeste hält er in der linken Hand die Weltkugel, während er die Rechte segnend erhebt.

Im zweiten Raum verweist eine "Betnuss" mit Mikroschnitzereien der Kreuzigung und der Gregorsmesse in ihrem Inneren auf den Opfertod Christi. Die nur 4,1 Zentimeter große Kugel aus Buchsbaumholz wurde um 1500 in Flandern gefertigt. Sie diente der privaten Andacht, wurde aber aufgrund ihrer ästhetischen Qualität auch gern von jenen, die es sich leisten konnten, gesammelt. Schmerz und Tod, aber auch die Hoffnung auf Erlösung führte das heute raumprägend präsentierte gotische Kruzifix den mittelalterlichen Menschen vor Augen. Gegenüber zeigen zehn nebeneinander gestellte Kruzifixe die Wandlung des Christusbildes auf - vom triumphierenden Gott mit Königskrone bis hin zum unter Schmerzen sterbenden Gottessohn. Dessen Leiden hatte für die von Kriegen, Krisen und Seuchen heimgesuchten Menschen des Spätmittelalters eine enorme Präsenz.

Der dritte Hauptraum wird ganz beherrscht von einem der großartigsten norddeutschen Kunstwerke des Mittelalters, dem Osterteppich aus dem Kloster Lüne. Mit Bildern, Inschriften und einer Fülle von Symbolen erzählt er in leuchtenden Farben die Geschichte der Osternacht. Die strenge Geometrie der Komposition spiegelt eine Weltvorstellung wider, in der die Dinge klar geordnet sind: Der auferstandene Christus wird von zwei Engeln flankiert, die Weihrauchfässer schwenken - ein Ritual der Verehrung, das das Christentum aus der Antike übernommen hat. Die beiden sehr klein dargestellten Grabwächter sitzen da, als hätten sie die Auferstehung noch gar nicht bemerkt. Der siebenzackige Morgenstern, der das Medaillon umgibt, soll nicht nur auf die frühe Stunde des Geschehens aufmerksam machen, er ist zugleich ein Symbol Christi. Jeweils mit einem Stern gefüllt, versinnbildlichen die Zacken außerdem die sieben Tage der Woche. In Lüne wurde der Teppich nur zur Ostermesse gezeigt. 1949 kam er ins Museum für Kunst und Gewerbe, wo man ihn nur jedes zweite Jahr für wenige Wochen ausstellte. Die neue Abteilung bietet endlich die konservatorischen Voraussetzungen für eine permanente Präsentation. In der Galerie vor den drei Haupträumen sind Objekte zu sehen, die mit der Glaubenspraxis zu tun haben. Dazu zählen zum Beispiel die Servatiusplatten von der Reliquienbüste des heiligen Servatius in Maastricht und - als bedeutendes Hamburger Kunstwerk des Mittelalters - ein prachtvolles Lektionar aus der Hauptkirche St. Petri.

Christentum im Mittelalter, Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorwall, Eröffnungsprogramm am Sonntag ab 14.00 mit Führungen, Musik und Kinderaktionen. Infos unter www.mkg-hamburg.de