“Gloriana“ von Benjamin Britten gilt als schwieriges Werk. Simone Young bringt es jetzt erstmals an die Hamburgische Staatsoper.

Hamburg. Fast wäre es eine Art Tripeljubiläum geworden. Wenn Simone Young noch zwei Opern mehr in ihrem Repertoire hätte, dann hätte sie mit der Premiere von "Gloriana" an diesem Sonntag in der Staatsoper nicht nur runde 60 Jahre nach der Uraufführung ihren Beitrag zum 100. Geburtstag des Komponisten Benjamin Britten geleistet, der ihr besonders am Herzen liegt. Es wäre auch die 100. Oper geworden, die sie als Dirigentin leitet.

Nun ist es nicht so, dass Frau Young sorgfältig Buch führen würde über alle Partituren, die sie schon einmal einstudiert oder zu Studienzwecken angeschafft hat. Vielmehr musste die Intendantin der Hamburgischen Staatsoper öfter als einmal feststellen, dass sie längst besaß, was sie gerade neu gekauft hatte. "Als mir das mit dem 'Feuervogel' wieder passierte, habe ich endlich mal alle meine Partituren geordnet. Bei der Gelegenheit wurde ich neugierig, wie viele Opern ich davon schon dirigiert habe." Nach dieser Zählung ist "Gloriana" Simone Youngs Oper Nummer 98, in 20 Berufsjahren.

Mindestens ein Zehntel ihres Opernrepertoires stammt von Benjamin Britten (1913-1976), den nicht nur die Briten als stärkste Komponistenpersönlichkeit des Vereinigten Königreichs seit dem Barockmeister Henry Purcell preisen. Simone Young ist Australierin und kam früh und nachhaltig mit Brittens Werk in Berührung. Schon als sie in Hamburg Intendantin wurde, hatte sie geplant, "Gloriana" in Brittens Jubiläumsjahr aufzuführen.

"Ich weiß nicht, ob man das gemerkt hat, aber die Stücke, die wir in meiner Zeit hier neu einstudiert haben, wurden immer schwieriger. Angefangen haben wir mit dem 'Sommernachtstraum', Brittens gefälligstem, leichtesten Werk. Dann kam 'Billy Budd', ein sehr bewegender Stoff. 'Death in Venice' gilt als sehr komplex, erwies sich aber für das Hamburger Publikum viel zugänglicher als im angelsächsischen Raum. Diese drei Opern markieren die Entwicklung hin zur 'Gloriana'."

Das Werk hatte es nicht leicht, anders als fast das gesamte übrige Schaffen Brittens. Bei der Uraufführung in Covent Garden am 8. Juni 1953, wenige Tage nach der Krönung Elisabeth II. zur Königin von England (den Thron hatte sie schon 1952 bestiegen), hielt sich die Begeisterung in engen Grenzen. Auch danach reüssierte die Oper nirgends so richtig. So sperrig das Stück, so aufwendig die (Ko-)Produktion: Hamburg wagt sich an seine "Gloriana" nur zusammen mit Covent Garden in London.

Britten hatte sich die Geschichte der Elisabeth I. (1533-1603), wie sie Lytton Strachey 1928 in seinem Roman "Elisabeth und Essex" erzählte, von William Plomer zum Libretto umarbeiten lassen. Elisabeth I., die 44 Jahre lang regierte und Englands Bruch mit dem Katholizismus vollendete, war jene Herrscherin, die dem Elisabethanischen Zeitalter seinen Namen gab. Sie blieb zeitlebens unverheiratet, hatte aber eine Leidenschaft zu jenem Earl von Essex, der Jahrzehnte jünger war als sie. Am Ende der Oper unterzeichnet sie sein Todesurteil wegen Hochverrats, ungeachtet aller Regungen ihres Herzens, aus Machtkalkül.

Es heißt, Elisabeth II. habe die Charakterisierung ihrer Vorgängerin in "Gloriana" missfallen. Simone Young empfindet die Figur anders: "Sie wird sehr sympathisch dargestellt, nur in der Szene, wo sie das Kleid von Essex' Frau trägt, zeigt sie sich kleinlich." Die Frage, wie eine moderne Inszenierung dem historischen Kontext der Oper gerecht werden kann, ohne dass daraus eine Historienoper wird, habe ihr Regisseur Richard Jones überzeugend gelöst, glaubt Simone Young. "Dieses Stück kann man nicht in Anzug und grauen Regenmänteln spielen", sagt sie.

Deshalb ist die Inszenierung in der Entstehungszeit der Oper, in den frühen 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts, angesiedelt: "Eine kleine, ländliche Gesellschaft zur Zeit der Krönung von Elisabeth II. spielt sich ins Elisabethanische Zeitalter zurück." Und die Musik der "Gloriana" sei stark, ungeachtet ihres Rufs: "Es ist ein sehr reifes Stück. Man muss es machen."

"Gloriana" Premiere So 24.3., 18.00, Staatsoper