“In dem Buch geht es um Liebe, Sex und Zerstörung“, sagt die Hamburger Schriftstellerin Daniela Chmelik über ihren Roman “Walizka“.

Hamburg. Zur Buchmesse in Leipzig plant Daniela Chmelik einen Stop-and-go-Auftritt. Daniela Chmelik ist Schriftstellerin und hat gerade ihren ersten Roman veröffentlicht. Er heißt "Walizka" - das polnische Wort für Koffer. Gepäck braucht die in Wandsbek aufgewachsene und in Winterhude lebende Künstlerin nicht, wenn sie heute Mittag gen Osten fährt. Abends liest sie im Westflügel (stilvolle Location: das Theater war früher ein Ballhaus), danach kommt sie irgendwie durch die Nacht, um sechs in der Früh steigt sie in den Zug. Um 12 Uhr hat sie einen Wettkampf, "Roller Derby auf St. Pauli", sagt Chmelik. Die Frau hat was vor.

Ein Treffen am Hafen, den man vom Park Fiction aus nicht lange anschauen mag: Der milchige Himmel und die weißen Hauben auf der erdverbundenen, unbelebten Welt gehen ineinander über, eine blendende Momentaufnahme. Guckt man zu lange, fangen die Augen an zu tränen. Das letzte Kapitel in "Walizka" heißt "Schnee", es ist das kalte Ende eines krassen Buches. Ja, krass - direkt, derbe, scharf wie eine Scherbe. So sollte ihr Debüt eigentlich heißen: "Scherben". Aber "Walizka" ist auch nicht schlecht, findet Chmelik, die ihre Kopfbedeckung im Café aufbehält. Aber so kalt ist hier gar nicht, und man darf auch nicht den Fehler machen, die Autorin mit ihrer Schöpfung in eins zu setzen. Liza, die Romanheldin, ist eine haltlose junge Frau, die sich in einer tiefen Lebenskrise befindet. Sie liebt mit einer Unbedingtheit, die romantisch anmutet oder unreif. Kommt ganz auf die Perspektive an.

"In dem Buch geht es um Liebe, Sex und Zerstörung", sagt Chmelik, die 1980 geboren ist, also die Zeit des Tändelns, des Unbestimmtseins, vielleicht auch die des Freiseins, die gemeinhin die Twentysomethings kennzeichnen, noch nicht lange hinter sich gelassen hat. Obwohl, hat sie das überhaupt?

Ihre Dissertation mit fester Stelle an der Uni hat Chmelik auf Eis gelegt, jetzt versucht sie sich als Freischaffende. Sie ist Leiterin der Literaturwerkstatt beim Künstlerkollektiv Barner 16 und arbeitet dort mit Behinderten. Trotzdem betrachtet sie sich in erster Linie als Schriftstellerin, und "Walizka" ist ein durchaus vielversprechender Start. Ein bisschen sprachspielerisch ("Jetzt suche ich in den Slipeinlagen wieder nach meinen Tagen"), vor allem aber hart, desillusioniert und in merkwürdiger Distanz zu sich selbst lässt sie ihre Ich-Erzählerin sprechen. Da wird dann nicht geliebt, nein: Der schnelle Sex im Zug ist ein rein körperlicher Akt.

Mit zwei Freundinnen fährt Liza auf den Balkan, sie sieht die Einschusslöcher in den Häusern und das vom Bürgerkrieg verwundete Land. Ihr Herz ist auch verwundet, und wenn mal etwas wie Glück aufscheint, verdunkelt sie dies gleich wieder mit einer hirnrissigen Aktion - zum Beispiel, indem sie den Freund der Freundin verführt.

Erschienen ist "Walizka" im Hamburger Mini-Verlag "Asphalt & Anders", geholfen bei der Verlagssuche hat Chmelik das im Literaturhaus beheimatete Literaturzentrum.

Präzision und Kraft in Satz und Schlag, das seien die Parallelen von Schreiben und Boxen, sagt Chmelik, "obwohl das jetzt ja auch ein bisschen platt ist". Ach was! Wann hat man das schon mal, dass eine Dichterin boxt. Chmelik steigt seit zwei Jahren in der Boxabteilung des FC St. Pauli in den Ring. Da kann man dann mal die Sau rauslassen, sich auspowern - würde ihrer Protagonistin sicher auch guttun. Daniela Chmelik hat sich beim Sport viel Kondition geholt. Sie braucht sie heute Nacht in Leipzig.