Die Satire “Der Minister“ auf Sat.1 orientiert sich überwiegend gelungen am Fall Karl-Theodor zu Guttenberg.

Satire über Realsatire - das ist ein heikles Unterfangen. Es besteht die Gefahr, dass sie zum schlappen Abbild der Wirklichkeit wird. Oder sie überzeichnet das ohnehin Grelle, Bizarre und Abgeschmackte und macht daraus einen Klamauk. Die Fernsehsatire "Der Minister" über den Fall Karl-Theodor zu Guttenberg begibt sich auf diese gefährliche Gratwanderung, strauchelt manchmal und kommt doch halbwegs gekonnt ins Ziel. Das gelingt ihr, weil sie die Hauptfigur, den fränkischen Freiherrn Franz Ferdinand von und zu Donnersberg, nicht ernster nimmt, als man ihn nehmen muss. Der ist von Anfang an ein vom Ehrgeiz zerfressener Blender, ein Mann von überschießendem Geltungsdrang und bescheidener intellektueller Begabung. Eine solche Figur ist mit einigen kräftigen Strichen skizziert und läuft dann von alleine. Kai Schumann hält sich eng ans Original. Schiefgehen kann eigentlich nichts, denn Anschauungsmaterial für die Posen und Floskeln, mit denen der wirkliche Guttenberg auf der politischen Bühne agierte, gibt es wahrlich genug. Da wird nichts ausgelassen, nicht der Auftritt am New Yorker Times Square und nicht die Truppenbesuche in Afghanistan mit gut sitzender Khaki-Hose und Splitterschutzweste, die glamouröse blonde Ehefrau an der Seite.

An Donnersberg hat man sich schnell sattgesehen. Man weiß, was kommt. Manchmal allerdings beschleicht einen das Gefühl, dass da ein bisschen zu viel Hohn und Spott aufgeboten und der arme Baron zum Sündenbock gemacht wird. Das Erschütternde am Fall Guttenberg liegt ja nicht in dessen Person, sondern in dem schweren Anfall von politischem Infantilismus, den er in einer breiten Öffentlichkeit, beileibe nicht nur auf dem Boulevard, auslöste. Der Baron hat sich seine Doktorarbeit, nicht aber seine politische Karriere erschlichen. Eine Mehrheit der Deutschen und ein Großteil der Medien nahmen ihm die Selbstinszenierung als Anti-Politiker, als Klartext-Sprecher und Stil-Ikone ab.

Es spricht für die Drehbuchautorin Dorothee Schön und den Regisseur Uwe Janson, dass sie sich dieses Problems offenbar bewusst waren. Donnersberg braucht starke Partner, damit er laufen kann. Und die gaben sie ihm, allen voran seinen Jugendfreund Max Drexel, einen in Dissertations- und Familiennöten gestrandeten Germanistikstudenten, den der Baron als Ghostwriter und politischen Berater engagiert. Johann von Bülow macht diese fiktionale Figur zum eigentlichen Motor der Geschichte. Drexel verfügt über alles, was Donnersberg fehlt: politische Intelligenz, Formulierungskunst, medialen Instinkt und Erfahrung mit dem wirklichen Leben normaler Leute.

Er leckt Blut und gewinnt, als Mann von eher geringem Sex-Appeal, ein durchaus erotisches Verhältnis zur politischen Macht: einer Sphäre, in die der Baron als Wirtschafts- und Verteidigungsminister nur hineinstolpert, die ihm mental aber eigentlich im Innersten fremd ist. Drexler kann deshalb auch richtig böse sein, was Donnersberg nicht ist. Der ist höchstens rücksichtslos und wird konsequenterweise am Schluss zum Opfer seines Ghostwriters.

Eine diabolische Dimension allerdings gewinnt die Satire erst durch Katharina Thalbach in der Rolle der Kanzlerin Angela Murkel. Dieses murkelige politische Tier erinnert - nicht nur, weil die Thalbach ihn jüngst im Fernsehen verkörperte - in manchen Zügen an den Preußenkönig Friedrich den Großen, der seine Geheimnisse nur mit seinen Windspielen teilte. Murkel tut das mit ihrem Ehemann, dem Peter Prager ein Denkmal setzt. Bei den gemeinsamen Szenen der beiden herrscht die größte Pointendichte.

Eine Frage, die nach dem Fall Guttenberg gestellt werden muss, bleibt satirisch unterbelichtet. Jene nämlich, ob die Medien noch politischer Information und demokratischer Willensbildung verpflichtet sind oder ob sie inzwischen völlig einer eigenen Agenda von Markt und Macht folgen. Donnersbergs Medienberater, der Chefredakteur des "Blitz-Kuriers" mit Namen Jan Breitman (Thomas Heinze), ist einer von vielen aasig geölten Boulevard-Zampanos, die zum politsatirischen Stammpersonal gehören. Sie schreiben jemanden hoch und lassen ihn fallen, sie kennen die Gesetze des Mediendschungels und beherrschen das Handwerk der Kampagne. Doch wie gesagt: Guttenberg war kein Geschöpf der "Bild"-Zeitung, obwohl dieses Blatt ihn am längsten unterstützte. Guttenberg war eine Projektionsfläche. Was in ihn hineinprojiziert wurde, das ist, wenn man so will, der eigentliche Skandal oder auch nur die traurige Wirklichkeit.

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass die Zeit zuverlässigen Wohlstandszuwachses für die meisten zu Ende sind. Das Macht- und Interessengeschiebe demokratischer Politik wird immer mühseliger. Den großen Wurf, die große Erzählung über die Zukunft der westlichen Gesellschaften gibt es nicht. Stabilität in der Dauerkrise ist das Höchste, was sich erreichen lässt. Das ist nichts für Kampagnenritter, nichts für Leitartikler und auch nichts fürs feinsinnige Feuilleton.

Das Leiden suchte Linderung und fand Guttenberg. Der bewies "Haltung", er hatte "Stil", er verkörperte "Exzellenz", er gab sich "authentisch", und er sprach "Klartext". Zudem gehörte er einer Generation an, die das Gefühl hat, von grau gewordenen Alt-68ern bis aufs Blut gepeinigt worden zu sein. So konnte der fränkische Freiherr zur Symbolfigur einer Erneuerung Deutschlands aus dem Geist eines nassforschen Jungkonservatismus werden. Das ist Episode geblieben. Aber eine, die man in Erinnerung behalten sollte.

"Der Minister" heute, 20.15 Uhr, Sat.1