Familiensaga “Die Holzbaronin“ mit Christine Neubauer ist ein bemerkenswertes Stück Fernsehunterhaltung und drei Stunden lang.

Kochen und Nähen ist nicht ihr Ding. Elly Seitz, Spross einer Holz- und Säge-Dynastie im Schwarzwald, hat höhere Ziele, als sich an der Hauswirtschaftsschule für eine langweilige Ehe vorzubereiten und ausschließlich in der Küche zu schalten und zu walten. Elly will studieren. Wirtschaftswissenschaften. Das ist zwar für junge Mädchen im Deutschland der 1920er-Jahre noch undenkbar, aber Elly ist beharrlich. Sie schafft es, einen Professor in Karlsruhe von ihrer Eignung zu überzeugen, und darf in den Hörsaal. Allerdings nur heimlich, ihre Familie darf von ihrem Studium nichts wissen. Ihr Ziel ist klar: Sie möchte im Familienbetrieb an verantwortlicher Stelle mitarbeiten und mitbestimmen. Großvater, Vater und Onkel hat sie als mittelmäßige Fabrikanten und Geschäftsleute erlebt, die Einzige, die das Geschäft wirklich durchblickte, war ihre Großmutter. "Sie ist eine moderne junge Frau", wird über Elly gesagt, doch niemand in ihrer Familie ahnt, welche Leidenschaft und welche Kenntnisse in ihr stecken.

Aus Elly Seitz wird später die "Holzbaronin", doch bevor sie die Firma übernehmen kann, muss sie einen langen, beschwerlichen Weg nehmen. Marcus O. Rosenmüller hat diese Familiengeschichte nach einem Buch von Annette Hess in Szene gesetzt. Geschildert wird die Zeit zwischen 1900 und 1953. Kolossale Umbrüche ereignen sich in dieser Spanne, drei Stunden benötigt Rosenmüller, um Ersten Weltkrieg, Weimarer Republik, Nazizeit und beginnendes Wirtschaftswunder vor dem Hintergrund der Familie Seitz zu erzählen. Das macht er geschickt in Rückblenden. Ausgangspunkt ist ein Verhör der Protagonistin: Elly Seitz, die später den reichen Alfred Brauer heiratet, wird beschuldigt, ihren Mann 1944 erschossen zu haben. Ihre Aussagen auf dem Kommissariat sind Erinnerungen von ihrer Kindheit bis in die Gegenwart. Dunkle Geheimnisse offenbaren sich in diesen Protokollen - nicht unähnlich manch anderer deutscher Familiengeschichte.

Das Sujet könnte dazu verleiten, aus "Die Holzbaronin" einen melodramatischen Heimatfilm mit prächtigen Landschaftspanoramen und schwelgerischer Musik zu machen wie in den 50er-Jahren, als "Und ewig singen die Wälder" sieben Millionen Zuschauer in die Kinos zog. Doch Rosenmüller vermeidet jeden Retrokitsch, er konzentriert sich auf seine Hauptfiguren und das Intrigenspiel in der Familie Seitz. Viele Szenen sind kammerspielartig inszeniert und durch die hautnahe Auseinandersetzung der Figuren von großer Spannung. Es geht um riskante Finanzgeschäfte, Machtkämpfe, Affären, politisches Mitläufertum, häusliche Gewalt und immer wieder um das Aufbegehren der Titelfigur, die sich mit ihrer Rolle als unterdrückte Frau nicht zufriedengeben will. Beharrlich geht Elly ihren Weg und opfert dafür sogar ihre große Liebe zu dem angehenden Arzt Josef Meder. Um den Betrieb vor dem Ruin zu bewahren, heiratet sie den reichen Emporkömmling Alfred Brauer.

Mit Christine Neubauer haben Rosenmüller und das ZDF eine versierte Fernsehschauspielerin für die Titelrolle ausgewählt. Doch angesichts der großen Zeitspanne dieser Lebensgeschichte muss Neubauer ihre Rolle mit Henriette Confurius teilen. Die junge Berliner Schauspielerin, gerade 22 Jahre alt geworden, ist die große Entdeckung dieses "historischen Event-Films", wie er vom ZDF genannt wird. Confurius spielt die Elly Seitz als eine geradlinige und auf ihr Ziel fokussierte junge Frau mit schneller Auffassungsgabe, aber mit einem großen Herzen und einer durchaus romantischen Ader. Doch als sich die Frage "Geld oder Liebe?" stellt, entscheidet sie sich für das fremde Kapital und die Rettung der Familie.

So stark beide Schauspielerinnen ihre Rollen ausfüllen, was im Übrigen auch für die restliche Besetzung gesagt werden kann, so problematisch ist dann doch der Altersunterschied zwischen Christine Neubauer und Henriette Confurius. Fast 30 Jahre beträgt er zwischen den beiden Schauspielerinnen, innerhalb des Films wirkt es befremdlich, als Neubauer im Jahr 1938 die Rolle der inzwischen verheirateten Elly Brauer übernimmt.

Obwohl diese Art von "Buddenbrooks des Schwarzwalds" in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielt, transportiert der Film jedoch eine Menge aktueller Themen.

Familiäre Machtkämpfe innerhalb einer Dynastie ist bester Lesestoff für den Boulevard, Gier und Spekulationen sind heute noch genauso an der Tagesordnung wie damals, und auch die männliche Dominanz in Führungspositionen ist alles andere als ein Relikt aus grauer Vorzeit. Das kluge Drehbuch, die gewählte Form der Rückblende und das Schauspielerensemble machen "Die Holzbaronin" zu einem bemerkenswerten Stück Fernsehunterhaltung, denn einen Dreistünder leisten sich die Fernsehanstalten in der Regeln nur als Fortsetzung.

"Die Holzbaronin" heute, 20.15, ZDF