Als Bond-Gegenspieler wurde Gert Fröbe berühmt. Der Schauspieler, der heute 100 geworden wäre, liebte auch seine Zeit auf dem Theaterschiff

Hamburg. Ein großer kräftiger rothaariger Mann nähert sich dem Objekt des Interesses. Er geht die Treppe zum Fleet hinab, überquert die wackelige Brücke zum Ponton und schleicht geradezu um das Schiff herum. Er steht vor verschlossenen Luken und Türen. Doch Mr. "Goldfinger" muss leider draußen bleiben.

Keine Filmszene, sondern Realität. Gert Fröbe, der dank des gleichnamigen James-Bond-Films von 1964 berühmte Schauspieler, suchte eine Spielstätte, um sein Kleinkunstprogramm aufzuführen. Nur: Fröbe kam immer am falschen Tag: "Sonntags geschlossen", hieß es jahrelang auf dem Hamburger Theaterschiff.

Eberhard Möbius, heute 86, erinnert sich genau, wie kurios es war, den Weltstar auf den 1975 von ihm und seiner Frau Christa im Nikolaifleet verankerten Kulturdampfer zu lotsen: "Fröbe war durch einen Zeitungsartikel auf das Schiff aufmerksam geworden", erzählt Möbius. Erst als "Möbi" die Absicht kundtat, Fröbe zu verpflichten, fanden die Suchenden zueinander. Fröbe lud das Ehepaar Möbius in sein schlossähnliches Anwesen nach Icking in Bayern ein. "Nach einem Bad im Swimmingpool haben wir den Vertrag gemacht." Per Handschlag. Von 1978 bis zum letzten Auftritt 1986 schrieb Fröbe als erster "Ehrenmatrose" einen Großteil der Geschichte des Schiffs mit.

Am heutigen Montag wäre der gebürtige Sachse 100 Jahre alt geworden.

Sein Soloprogramm "Durch Zufall frei" sollte er 410-mal auf dem Schiff spielen. ",Na, meen Kleener!', sagte Fröbe immer zu mir", erinnert sich Möbius. Insgesamt 49.000 Menschen haben Fröbe unter Deck gesehen - immer ausverkauft. Und wer einmal hautnah erlebt hat, wie der Vollblutschauspieler als Morgenstern-Rezitator brillierte, wie er die zögerlich-schleimige "Hausschnecke" dank Mimik und Stimme zum Leben erweckte, der weiß, wie einfach und doch anspruchsvoll große Kleinkunst sein kann. "Ich freue mich jeden Abend wie ein Kind, wenn die Schiffsglocke ertönt", sagte Fröbe. Vier Jahre lebte er während der Gastspiele in einer Wohnung in Rotherbaum.

Hier war er Mensch, hier durfte er es bleiben. Nichts erinnerte bei seinen Abenden an den Bösewicht, als der er in den späten 50er-Jahren bekannt geworden war. Die Autorin Beate Strobel beschreibt es in ihrem Buch "Vom Stehgeiger zum Goldfinger" treffend: "Ihm gelingt das Kunststück, das Abgrundtiefe im Menschen ans Tageslicht zu holen, es transparent und verständlich zu machen. Seine Negativ-Helden sind keine Studien in Schwarz-Weiß, sondern die Summe vieler Grautöne."

Fröbes Darstellung des feisten Geschäftsmanns Schrott, der sich in der Dürrenmatt-Verfilmung "Es geschah am hellichten Tag" (1958) als Kindermörder entpuppt, erzeugt bei vielen noch heute Beklemmungen. Sie sollte für die Bond-Produzenten Albert R. Brokkoli und Harry Saltzman Jahre später Anlass sein, Fröbe als Auric Goldfinger zu besetzen. "Jedermanns Lieblingsschurke", wie der Charaktermime genannt wurde, hatte zuvor in "Das Herz von St. Pauli" und "Der tolle Blomberg" auch mit dem blonden Hans Albers gespielt - nur zwei Rollen des Wandlungsfähigen in 125 Filmen.

Hamburg war für Fröbe immer ein Anker. 1973 suchte Fröbe in der jungen Ottenser Fabrik ebenfalls solo die Bühne - mit Pantomimen und Stegreifgeschichten. Und 1974, in jenem Jahr, in dem er Otfried Preußlers "Räuber Hotzenplotz" auf der Leinwand ein Gesicht gab, spielte er im Operettenhaus in "Der Raub der Sabinerinnen" den Theaterdirektor Striese. Wie die Rolle es verlangte mit sächsischem Dialekt.

Am Ende seiner Karriere litt Fröbe an einem Mundhöhlenkarzinom. Eine Behandlung im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) trug indes zur Besserung bei. Seinen 75. Geburtstag verbrachte Fröbe 1988 auch deshalb in der Hansestadt. Er hegte wieder Pläne für ein um Erich Kästner erweitertes Kleinkunstprogramm. "Er hatte meiner Frau und mir schon zwei Jahre zuvor nach einer Vorstellung erste Auszüge von 'Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke' vorgespielt", erinnert sich Möbius genau. Nachdem Fröbe das Kästner-Programm im Kursanatorium in Ambach gut zwei Jahre später ausgewählten Gästen erstmals vorgespielt hatte, starb er 5. September 1988 in München an einer Lungenembolie. Fröbe hatte bereits am Morgen seines letzten Auftritts einen Herzinfarkt erlitten.

Seine Bescheidenheit und sein Ansporn drückte Fröbe in einem Abendblatt-Gespräch einmal so aus: "Es ist eine große Gnade, wenn man Leute unterhalten kann. Ich kann nichts dafür, so wenig wie ich 1,86 Meter groß bin."

Bücher: "Gert Fröbe: Vom Stehgeiger zum Goldfinger" von Beate Strobel, Braumüller-Verlag, 193 S., 22,90 € "Jedermanns Lieblingsschurke. Gert Fröbe. Eine Biographie" von Michael Strauven, Rotbuch-Verlag, 256 S., 19,95 €

Kino: Gert Fröbe Bond-Spezial: "James Bond 007 - Goldfinger" Di 26.2., 17 Uhr, Metropolis, Kl. Theaterstr. 10; Termine: www.metropoliskino.de

Fernsehen: "Die 1000 Augen des Dr. Mabuse" Mo 25.2., 22.50, MDR