Hoger spielt in Yasmina Rezas neuem Stück eine öffentlichkeitsscheue Autorin. Ein Gespräch über die Welt des Fernsehens und der Bühne.

Hamburg. Die französische Autorin Yasmina Reza ist weltweit die am meisten gespielte zeitgenössische Dramatikerin. Rezas Stücke - darunter "Kunst", "Drei Mal Leben" oder "Der Gott des Gemetzels" - sind wohl deshalb so beliebt, weil in ihnen das halb gebildete Gequatsche ihrer bürgerlichen Protagonisten genial komisch verquickt wird. So erkennen wir uns alle auf der Bühne in den Figuren wieder, die Paarkonflikte austragen, Gefechte über Treue, Kunstverstand, Kindererziehung oder den Umgang mit Eltern.

Rezas neuestes Stück, "Ihre Version des Spiels", schickt die öffentlichkeitsscheue Autorin eines preisgekrönten Romans, Nathalie Oppenheim, zu einer Lesung in die Provinz. Dort stellt sie sich dem Gespräch mit einer beharrlichen Journalistin, begegnet einem verzückten Bibliothekar und dem Bürgermeister des Ortes. Nathalie verweigert jede Antwort auf die immer wiederkehrenden Fragen nach den autobiografischen Bezügen in ihrem Roman. Nicht nur darin erinnert sie an ihre Schöpferin Yasmina Reza, die als scheu gilt und die nicht gerne über sich spricht. Hannelore Hoger wird Nathalie in der Hamburger Aufführung spielen, die am 24. Februar am St. Pauli Theater Premiere hat. Wir sprachen mit ihr über das Stück und lästige Fragen an Künstler.

Hamburger Abendblatt: Yasmina Rezas Stück handelt von einer Autorin, deren Privatleben man mit dem Leben ihrer Romanfiguren gleichsetzen möchte. Kennen Sie das auch, dass man Sie mit den Figuren verwechselt, die Sie spielen?

Hannelore Hoger: Ja, das passiert vielen Schauspielern, nicht nur mir. Gerne wird die Privatperson mit der Rolle verwechselt. Ein seltsamer Wunsch und ein wenig naiv. Natürlich spiele ich mit meinem Körper, das ist mein Instrument, aber der Charakter einer Rolle ergibt sich aus den Situationen des Stücks, aus dem, was gesagt wird, und aus seinen Intentionen. Das meint auch Yasmina Reza, die sagt: "Natürlich hat alles, was man schreibt und spielt, mit dem eigenen Leben zu tun. Anders ginge es ja gar nicht. Aber es wird erst dann zu Kunst oder Literatur, wenn man eine gewisse Distanz dazu einnimmt und es nicht auf die privaten Erfahrungen reduziert."

Die Schriftstellerin im Stück ist genervt von den Journalistenfragen nach ihrem Privatleben. Sie möchte über ihr Buch reden.

Hoger: Man darf nicht vergessen, dass Journalisten vernetzt sind und auch Macht haben. Die Autorin möchte ja, dass ihr Buch besprochen wird, dass die Leser ihr Buch kennenlernen und kaufen. Sie ist ein bisschen irritiert, dass es hier in dem Provinznest, in das sie gekommen ist, um ihr Buch vorzustellen, so sehr um sie als Privatperson und weniger um ihre eigentliche Arbeit als Autorin geht.

Am Ende des Reza-Stückes kommt der Bürgermeister des Ortes und gockelt vor der Autorin herum.

Hoger: Jetzt aber bitte nicht die Sexismus-Debatte anreißen, das ist mir zu trostlos. Dieser Bürgermeister ist ein ganz guter, fantasiebegabter Typ (lacht), übrigens eine Lieblingsfigur von Yasmina Reza. Unterschwellig ist der erotisierend, aber er ist wirklich komisch. Wichtig ist auch das Publikum, das in diesem Stück eine Rolle spielt.

Das Buch, an dem Nathalie schreibt, handelt von einer Autorin, die ein Mordkomplott ausheckt und einen Auftragskiller sucht.

Hoger: Spannend, nicht? Yasmina Reza beschreibt das sehr vielschichtig. Ihre Menschen sind kompliziert. Es ist eben nicht so, dass man eine Figur auf ein paar Äußerungen reduzieren kann.

Sie haben jahrzehntelang an vielen deutschen Theatern große Rollen gespielt, sind aber erst durch dass Fernsehen richtig berühmt geworden. Ist das frustrierend?

Hoger: Überhaupt nicht. Ich bin dem Theaterpublikum in guter Erinnerung. Außerdem liegt das in der Natur der Sache. Sie erreichen mit einem Fernsehabend Millionen Zuschauer, am Theater ist das natürlich anders.

Vermissen Sie beim Fernsehen etwas?

Hoger: Mehr gute Bücher, weniger Krimis. Diese Debatte ist bekannt. Am Theater habe ich viele Jahre lang mit Regisseuren wie Augusto Fernandes oder Peter Zadek auf Proben improvisiert und viel gelernt. Das mochte ich sehr, das fehlt mir heute.

Spielen Sie lieber Theater?

Hoger: Nein, aber gerne noch manchmal. Das schönste Theater ist das Schauspielhaus. Das gemütlichste ist das St. Pauli Theater. Hier arbeiten alle zusammen. Das gefällt mir.

Hier herrscht eine Art Familienatmosphäre?

Hoger: Nicht unbedingt. Wenn alle Familien an einem Strang ziehen würden wie hier, wäre das wunderbar. Hier hat man Zusammenhalt. Es ist ein freundschaftlicher Bund auf Zeit. Wir haben Freude an dem, was wir machen.

Wie haben Sie das geschafft, jahrzehntelang Freude an Ihrem Beruf zu haben, beim Film, Fernsehen und am Theater?

Hoger: Ich hatte Glück. Schauspieler sind sehr abhängig, müssen gemocht werden, Vertrauen haben, und in einem guten Umfeld arbeiten. Ich habe und hatte wunderbare Kollegen und gute Rollenangebote Der Rahmen muss stimmen. Ich liebe meinen Beruf. Ich hätte auch gar nicht aufhören können, ich musste ja immer Geld verdienen. Ich hab mir aber nie was gefallen lassen, ich habe auch immer gesagt, wenn mich Dinge gestört haben, auch wenn es mir geschadet hat. Regisseuren wie Grüber und Fassbinder habe ich auch Rollen abgesagt.

Das muss doch erlaubt sein.

Hoger: Verboten ist es nicht, aber es wird einem oft lange nachgetragen.

Sie gelten als jemand, der gerne mal motzt?

Hoger: Ja? Ich bin sehr emotional, aber viel pflegeleichter als mein Ruf. Ich mache meistens alles, was die Regisseure wollen. Oder wie der Hamburger sagt: Sabbel nich so veel, speel man god.

"Ihre Version des Spiels" mit Volker Lechtenbrink, Tatja Seibt, Oliver Urbanski, Hannelore Hoger, Regie: Ulrich Waller, Premiere So 24.2., 20.00, St. Pauli Theater, Spielbudenplatz, Karten unter T. 47 11 06 66; www.st-pauli-theater.de