Thalia zeigt Wilders Menschheitskomödie “Wir sind noch einmal davon gekommen“

Der Wunsch des Publikums ist Intendant Joachim Lux Befehl. Die Thalia-Theater-Klientel wählte bei der Spielplan-Befragung für die laufende Saison Thornton Wilders "Wir sind noch einmal davon gekommen" mit 635 Stimmen auf den dritten Platz und traf damit den Nerv unserer (Katastrophen)-Zeit. Die Menschheitskomödie um alle die Desaster wie Eiszeit, Sintflut oder Krieg überlebende Familie Antrobus inszeniert Marco Storman zum Sonnabend im Großen Haus.

"The Skin of Our Teeth" lautet der Originaltitel des 1942 in New Haven uraufgeführten Stücks. Er bedeutet so viel wie "um Haaresbreite". Galt auch für die Produktion in Elia Kazans Regie (mit Frederic March, Montgomery Clift und Tallulah Bankhead). Sie wäre beinahe geplatzt, wurde aber ein Erfolg mit 355 Vorstellungen und brachte Wilder seinen dritten Pulitzer-Preis. Der typisch intellektuelle Ostküsten-Schriftsteller ("Die Brücke von San Luis Rey") avancierte in Folge zu einem der meistgespielten Bühnenautoren ("Unsere kleine Stadt") an den deutschen Theatern der Nachkriegszeit.

Die Katastrophen zu Beginn des 21. Jahrhunderts (Banken-Crash, Klimawandel, Tsunami, Fukushima und jüngst der Meteoriten-Schauer in Russland) bringen den Stadttheatern offenbar Wilders fast vergessenes, damals jedenfalls in mehrfacher Hinsicht revolutionäres Welt-Schau-Spiel in Form eines modernen Morality-Play wieder in Erinnerung. Derzeit steht es auf dem Programm in Basel, Linz - und nun auch in Hamburg.

Was im postmodernen Regietheater Usus ist, nahm Wilder in "Wir sind noch einmal davon gekommen" vorweg: Die Schauspieler fallen aus der Rolle, kritisieren oder kommentieren die Szenen und wenden sich direkt an die Zuschauer. Sie setzen sich über Raum und Zeit hinweg, befinden sich gleichzeitig in der Eiszeit und Gegenwart. Mister Antrobus und die Seinen überleben auch knapp die große Flut - denn der Mensch ist eben unverwüstlich. Seit Adam und Eva macht er einfach weiter. Als ob er trotz Erfindungen und Entdeckungen nichts aus der Menschheitsgeschichte gelernt hätte. "Das ist alles, was wir tun - immer wieder von vorn anfangen!", erkennt das Dienstmädchen Sabina. Und fordert das Publikum auf: "Sie können nach Hause gehen, wir werden ewig weiterspielen."

Das von Marco Storman entfesselte surreale Endzeit-Szenario verspricht ein komödiantisches und satirisches Vergnügen zu werden. Denn der in Hamburg geborene Regisseur (Jahrgang 1980) bewies bereits im Zugriff auf Lessings Trauerspiel "Emilia Galotti", dass er einen etwas veralteten Klassiker lässig, einfallsreich und selbstbewusst auf die Höhe der Zeit katapultiert.

Vielleicht behält der Theaterkritiker Georg Hensel doch recht: "Die Menschheitsrevue des Broadway-Calderon ist so lange eine Aufführung wert, als der Weltuntergang gerade noch einmal verschoben wird."

"Wir sind noch einmal davon gekommen" Premiere Sa 23.2., 20.00, Thalia Theater (S/U Jungfernstieg), Alstertor, Karten zu 13,50 bis 66,- unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de

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