Constanza Macras und die HipHop Academy begeistern mit der dynamischen Arbeit “Distortion - Verzerrung“ auch ein junges Publikum

Hamburg. Lange muss der Tänzer Franklyn Kakyire alleine die Bühne der größten Kampnagelhalle füllen. Mit der Geschmeidigkeit einer Gummipuppe präsentiert er seine Moves, gleitet über in den Breakdance, vollführt halsbrecherische Sprünge in die Horizontale und zurück auf die Füße. Zunächst ist das einzig Verzerrte die Musik. Gesampelte Großstadtsounds, Geräusche, Stimmengewirr. Elf Tänzer und eine Tänzerin gruppieren sich mit todernster Miene wie fürs Familienfoto aufgereiht. Ein Standbild, das wenig später zerfällt.

"Distortion - Verzerrung" nennt die Berliner Choreografin Constanza Macras ihren gemeinsam mit der HipHop Academy Hamburg entwickelten Abend, der die Performer wie in all ihren Arbeiten auch zu Botschaftern ihrer selbst erklärt. Die gebürtige Argentinierin, die regelmäßig mit ihrer Kompanie Dorky Park an der Schaubühne Berlin arbeitet und international erfolgreich tourt, beschäftigt sich bevorzugt mit Migrationserfahrungen. Was zuletzt in Arbeiten wie "Berlin Elsewhere" in einem oft simultanen und etwas beliebigen Wirrwarr aus Bewegungen und Musik mündete, hier erweist es sich als Stärke. Die Dynamik und beachtliche technische Virtuosität der Akteure fügen sich zu einem erzählerischen Bogen, der alles umfasst, Nachdenklichkeit, Sozialkritik und Humor.

Mal scheint die Gruppe den Mageninhalt rückwärts zu führen, dann wieder lässt sie die Hüften kreisen. Wunderbar werden die Tänzer flankiert von einem DJ, einem Beatboxer und der Musikerin Kristina Lösche-Löwensen. Keyboard, Violine und weiteren Instrumenten entlockt sie melancholische Töne, die nie mit den Bewegungen konkurrieren. Zur Gruppendynamik gehört auch der Aus-der-Reihe-Tänzer. Felix Saalmann, amtierender Deutscher Meister im Breakdance, gibt ihn frech mit aberwitziger Körperkunst.

Das Familienporträt löst sich in disparate Szenen auf. Gefolgt von humorvollen Zweier-Begegnungen. Elegant werden Spiel und Codes von Begehren, Annäherung und Abweisung persifliert, mit viel Gespür für Situationskomik, wie sie auch der Zuschauer aus dem Alltag kennt. Herrlich jagt Franklyn Kakyire dem Beatboxer und Tänzer Guido Höper in einem Teddybärkostüm nach. Jeder der Tänzer lebt seinen eigenen Stil und seine Moves individuell aus. Es ist die gekonnte Zwiesprache aus einem Innehalten in fast ballettartigen Szenen und fast schon artistischer Körperkunst. Entsprechend begeistert zeigt sich das vielfach junge Premierenpublikum und lässt sich immer wieder zu Szenenapplaus mitreißen.

Die Zusammenarbeit mit einer weithin so anerkannten Choreografin wie Macras festigt das Profil der HipHop Academy Hamburg weiter. Seit ihrer Gründung im Jahre 2007 bildet sie junge Künstler Jugendliche und junge Erwachsene professionell in Breakdance, Graffiti, Djing, Rap, Beatbox, Producing und NewStyle aus. Jeder der hier auftretenden Performer hat sich seinen Platz im Ensemble hart erarbeitet. Mit Talent, Fleiß und viel Disziplin.

Eine Choreografin wie Constanza Macras scheint genau die Richtige, um so unterschiedliche, auch zerrissene Biografien, zu verbinden. Das hat sie bereits in ihrer letzten Arbeit "Open for Everything" bewiesen, für die sie mit Roma zusammengearbeitet hat.

Fragen einer von Migration geprägten Identität werden ironisiert, wenn etwa die tolle Jennifer Gifty-Lartey zum Schluss Dirndl trägt. Oder Alassane "A-Jay" Jensen sich in eine Boxershorts in deutschen Nationalfarben hüllt. Nie wird diese Sozialkritik, um die es Macras auch immer geht, schal oder belehrend. Sie ist authentisch und direkt. So wie der Hip-Hop.

Constanza Macras + HipHop Academy: "Distortion" Sa 16.2., 19.00, Kampnagel, Jarrestraße 20-24, T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de