Lea Singer erzählt in “Verdis letzte Versuchung“ eine bewegende Dreiecksgeschichte

Ein kleines, feines Geburtstagsgeschenk zu Giuseppe Verdis 200. Geburtstag, der in diesem Jahr gefeiert wird, so wie der von Richard Wagner. Lea Singer, bekannt als Autorin fein erzählter Romane (zuletzt "Der Opernheld") und bestens recherchierter Sachbücher (unter ihrem Namen Eva-Gesine Baur zuletzt über den "Zauberflöte"-Librettisten und Mozarts ersten Papageno Emanuel Schikaneder), erzählt nun "Verdis letzte Versuchung".

Entlang erhaltener und sorgsam studierter Briefe ihrer drei Protagonisten und vor dem Hintergrund der Entstehung des "Requiems" und der "Aida" blättert sie die Geschichte einer bewegenden Dreiecksgeschichte auf. Beteiligt sind der Komponist Giuseppe Verdi, seine Frau Giuseppina, eine ehemalige Sängerin. Und Teresa Stolz, aktive Sängerin, die Verdi spätestens bei der Aufführung von "Die Macht des Schicksals" an der Mailänder Scala 1869 kennenlernt.

Betrogene Hoffnungen, fauchende Eifersucht und ein Arrangement

Es entwickelt sich eine Liebesgeschichte, die nicht unentdeckt bleibt. Die Stolz singt 1872 auch die Erstaufführung der "Aida" an der Scala und die Sopran-Partie in Verdis "Requiem". Sie besucht den Komponisten auf dessen Landgut Sant' Agata. Heimliche Annäherung, betrogene Hoffnungen, bissige Bemerkungen, Ehekrach, fauchende Eifersucht, schließlich ein denkwürdiges Arrangement der drei - das gibt den erzählerischen roten Faden ab vor dem großen Panorama, das Lea Singer dahinter malt.

Die Leser erfahren von den Intrigen im Musikbetrieb, von wechselnden Allianzen, von Liebe und Trennung, von den Opern-Produktionsbedingungen der Verdi-Zeit, und sie erleben Verdi als Komponisten in inspirationslosen Zeiten, bekommen Einblicke in die Ängste von Sängerinnen, deren Karrieren nicht unendlich währen können.

Geschrieben ist das als Montage aus den inneren Monologen der drei Icherzähler, wobei Singer die Leerstellen um die Dokumente herum gefühlvoll und dezent ausfüllt, unter größter Nähe zur dokumentierten Geschichte. Sie kann wundervoll über Musik schreiben und die Menschen, denen wir sie zu verdanken haben. So gelingt ihr ein gut lesbares Musiker- und Seelendrama, bei dem man den Figuren über die Schulter zu schauen glaubt. Musikwissenschaft muss eben nicht staubtrockene Ergebnisse haben, wenn sie so dicht an die Emotionen der Musiker heranrücken kann.

Noch besser: Diese Buch macht große Lust auf die Musik, von der in ihm die Rede ist.

Lea Singer: "Verdis letzte Versuchung". C. Bertelsmann, 272 Seiten, 19,99 Euro; Internet: www.randomhouse.de