Wir Ökospießer sind gut im konsequenzlosen Nachdenken über die Umwelt, scheuen aber konkrete Taten, findet die Autorin Claudia Langer.

Hamburg. Wäre doch ganz vernünftig, mal den Frühjahrsurlaub auf den Kanaren ausfallen zu lassen. Oder schon im Februar wieder mit dem Fahrradfahren anzufangen. Und zu einem Ökostromanbieter zu wechseln. Vielleicht sogar, sich eine andere Bank zu suchen. Eine, die nicht zockt und Geld verbrennt. Am besten auch gleich die Lebensversicherung kündigen, weil der Anbieter an der Börse auf Lebensmittel spekuliert und damit die Nahrungspreise in die Höhe treibt.

Ja, man könnte viele gute Dinge tun. Und die anderen dazu anhalten, gleichzuziehen - mit dem Hinweis auf die eigene Haustür, vor der man ja bereits gekehrt habe. Die Zeiten, in denen man deswegen als Moralapostel und Gutmensch verspottet wurde, sollten doch mittlerweile vorbei sein. Der Vorwurf taugt nicht mehr, ist ausgelutscht, langweilig. Der Punkt ist aber, dass "man" ja selbst nur selten etwas tut, was das Leben besser macht und die Erde rettet. Klar, man unterschreibt hin und wieder mal eine Petition im Internet, zum Beispiel gegen Pelze. Man isst kaum noch Fleisch.

So was beruhigt das Gewissen.

Mehr aber auch nicht, finden die, die es wissen müssen. Wissenschaftler, Umweltschutz-Organisationen, Zukunftsforscher, Netzwerker. Die Initiatorin von Utopia.de, Claudia Langer, hat jetzt sogar ein Buch geschrieben, das im Kern von unser aller Antriebslosigkeit handelt. Utopia.de ist eine Verbraucher-Plattform im Internet, die zu einer Änderung des Konsumverhaltens aufruft, indem sie nachhaltige und umweltschonende Produkte vorstellt. Der Erfolg von Utopia.de ist nicht messbar, weil niemand nachprüfen kann, wie viele User die Kaufempfehlungen annehmen. Vielleicht zählen sie ja auch zu denen, die Handlungsoptionen als grundsätzlich hypothetisch betrachten. Weil sie zu der großen gesellschaftlichen Gruppe gehören, die lieber die Hände in den Schoß legt, obwohl sie gut an die Informationsflüsse angebunden ist - zum Beispiel im Internet. Die Autorin Langer hat sie griffig "Die Generation Man müsste mal" getauft.

Und so heißt auch ihr Buch, das uns allen einmal kräftig in den Allerwertesten treten will und, das muss man neidlos anerkennen, verkaufstechnisch alles richtig macht. Denn wenn der Buchmarkt in letzter Zeit eines gezeigt hat, dann das: Der Generationen-Begriff geht einfach grundsätzlich gut, und wenn dann noch "Streitschrift" über dem Text steht, ist ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit sicher. Das ist schon okay so: Die Haltung des Utopia-Kosmos, mit der heraus "Die Generation Man müsste mal" geschrieben ist, ist zwar alarmistisch - aber muss nicht einer den Job machen?

Ist es nicht so, dass die böse Feststellung, konsequenzloses Nachdenken liege uns viel näher als tatsächliches Handeln, genau ins Schwarze trifft? Auch die berühmte Generation Golf, die verwöhnte, unpolitische, konsumorientierte und an Oberflächenphänomenen interessierte Altersgruppe, war im Übrigen keine soziologisch genau untersuchte (Stichwort: Empirie), sondern eine gefühlte Größe. Wenn nicht alles täuscht, sind die von Claudia Langer, geboren 1965, angesprochenen Jahrgänge zwischen 1960 und 1985 sogar deckungsgleich mit der Generation Golf. Wenngleich zwischen beiden Begriffserfindungen anderthalb Jahrzehnte liegen und zumindest der gute Wille, ein "grünes" Leben zu führen, heute ausgeprägter sein dürfte als damals. So oder so sticht die Schlüssigkeit des Anti-Slogans "Man müsste mal" ins Auge. Sie trifft den wunden Punkt unserer aufgeklärten Mittelschichts- und Ökospießergegenwart in Eimsbüttel oder Prenzlauer Berg.

Dass viele, trotz regelmäßiger Berichterstattung in sämtlichen Medien, die Themen Ökologie und Klimakatastrophe nicht so schrecklich ernst nehmen, liegt wahrscheinlich auch an der Konkurrenz, die denen aus anderen Problemzonen erwächst. Die Gesellschaft redet schon länger lieber über den Ausstieg aus der Kernkraft und die Wirtschafts-, Finanz- und Euro-Krise.

Dass klimapolitische Ziele viel zu zaghaft anvisiert oder ohne Aufschrei der Bevölkerung nicht erreicht werden, verblasst zurzeit gegenüber den scheinbar drängenderen Nöten der westlichen Welt. Wieso fahren eigentlich nicht längst mehr Elektroautos auf den Straßen? Die Frage zum Beispiel stellt sich den meisten unter uns nicht.

Wer wissen will, was uns obendrein gar nicht unter den Nägeln zu brennen scheint, obwohl es doch für Salonauftritte, Sonntagsreden und Vorsätze so gut taugt, der lese Langers unter der Überschrift "Ich klage an" formulierte Gegenwartsdiagnose. Dass ihre Beobachtungen sattsam bekannt sind, stört keineswegs, weil unsere Generation Man müsste mal vielleicht ja doch gerade durch moralische Penetrierung zur Generation Jetzt aber echt wird.

Alles andere hat ja auch nichts genützt, um Konsumenten in die Pflicht zu nehmen und ihren Lifestyle so grundlegend zu wandeln, dass die Ressourcen (doch, doch: der Raubbau geht weiter) nicht vollständig aufgefressen werden. In welcher Welt sollen eigentlich unsere Kinder leben?

Und wieso schaffe ich es nicht einmal, meine Gerätschaften mit Ökostrom zum Laufen zu bringen? Das sind zwei Anrufe! Ja, mit Langers Streitschrift verhält es sich wie mit Stéphane Hessels Aufruf "Empört Euch" - das permanente schlechte Gewissen, ein verlässlicher Begleiter des Menschen im 21. Jahrhundert, lässt einen bedingungslos zustimmen, wenn die Autorin aus dem Unwillen, uns zu verändern, den Mentalitätszusammenhang schlechthin für die Generation der noch nicht Alten, aber auch nicht mehr Jungen formuliert. Wieso soll sie nicht Recht haben mit ihrer erstmals von den neuen sozialen Bewegungen in den 80er-Jahren formulierten Forderung, Verantwortung zu übernehmen? Die alltägliche Apokalypse ist ein Schlüsselphänomen der Gegenwart; es wäre aber schön, wenn es nicht mehr um Rettungsschirme für Banken, sondern für unseren Planeten ginge. Und genau deswegen lassen wir uns gefallen, generationenmäßig so richtig knallig auf nur eine Eigenschaft reduziert zu werden - unsere Bequemlichkeit.

Claudia Langer: "Die Generation Man müsste mal" Droemer. 192 S., 18€