Die in Mali geborene Fatoumata Diawara ist ein Shootingstar der internationalen Musikszene. Donnerstag Konzert in der Laeiszhalle.

Hamburg. Die Sehnsucht nach einer Heimat in Freiheit, das erfüllt Fatoumata Diawara ganz. Mit gerade mal 26 Jahren steht die Sängerin aus Mali für das neue Afrika. Eine junge Generation, die etwas verändern will. "Ich versuche, mit meiner Musik Hoffnung zu verbreiten. Man darf nie aufgeben." Diawara, die seit Jahren in Paris lebt, singt nicht von fragwürdigen Wüstenidyllen. "Ich hatte das Bedürfnis, für meine Generation zu sprechen. Als Frau und vor allem als afrikanische Frau. Ich wollte ein Beispiel geben." Sie packt die unbequemen Themen an: Zwangsheirat ("Bissa"), Bildungsdefizite ("Mousso"), Adoption ("Sowa") und Genitalverstümmelung ("Boloko"). Ihr Standpunkt: "Solange das nicht aufhört, muss man darüber singen."

Auf ihrem Debütalbum "Fatou", benannt nach dem Spitznamen, den man ihr in ihrem Dorf einst gab, entwickelt sie neue Kategorien für eine Musik, die gleichwohl in der Tradition der Folklore ihrer Heimat Mali steht, und doch Weltmusik in einem neuen Sinne beschreibt. Diese Musik ist Ausdruck des musikalischen Erbes der Väter, atmet aber genauso den offenen Geist der internationalen Jazz-, Pop- und Rocktradition.

Ein paar hingetupfte Gitarrenakkorde über einem schlurfenden Schlagzeug. Melodien, durchzogen von der säuerlichen Süße der Melancholie. Und dann diese Stimme. Pure, somnambule Schönheit. "It is war that separates brothers/It is war that separates parents/Why this war today?" - Es ist der Krieg, der Brüder trennt/Es ist der Krieg, der Eltern trennt/Warum gibt es diesen Krieg überhaupt?, singt Fatoumata Diawara in ihrem Song "Kèlè". Ruft Frauen und Mütter auf, sich zusammenzutun. Was auf den ersten Blick ein wenig naiv klingt, ist kämpferisch gemeint. "Listen to us and let us unite for our daughters!", ruft sie - Hört uns zu und lasst uns für unsere Töchter zusammenstehen. Im Musikvideo bekommt ihr schönes ebenmäßiges Gesicht in Nahaufnahme eine fast zornige Dringlichkeit. Die afrikanischen Politiker ruft sie auf, den Krieg zu beenden.

Mit "Fatou" landete sie gleich auf dem renommierten World-Circuit-Label von Produzent Nick Gold (unter anderem Ali Farka Touré, Buena Vista). Mit dem Koraspieler Toumani und der Wassoulou-Musikerin Oumou Sangaré hat sie die absolute Topriege afrikanischer Musiker an der Seite. In der internationalen Jazzszene gilt Diawara schon jetzt als Ausnahmetalent. Jung, emanzipiert, sendungsbewusst. Dabei mit Zähigkeit, eisernem Willen und gleichzeitig einer ansteckenden Fröhlichkeit ausgestattet. Sie wurde bereits in die britische Hipster-TV-Show "Later with Jools Holland" eingeladen. Am 7. Februar tritt sie mit vierköpfiger Band in der löblich über den Tellerrand des eigenen Kulturkreises schauenden Reihe "Around The World" in der Laeiszhalle auf. Im Anschluss präsentiert das Festival "Lux aeterna" das Kunstprojekt "Little Sun" von Olafur Eliasson mit 16 Kurzfilmen und DJ-Set.

Die Zeiten in Diawaras Heimat Mali sind kriegerisch. Islamisten zertrümmern Bibliotheken und verbrennen Bücher, wollen mit Gewalt das kulturelle Gedächtnis einer ganzen Region auslöschen. Musik gilt als Teufelswerk. Erst recht so emanzipierte Klänge, wie sie Fatoumata Diawara verbreitet. Im Norden des Landes, wo die Islamisten herrschen, dürfen Radiostationen keine Musik mehr spielen.

Gerade gelang es malischen Soldaten im Verbund mit französischen, Timbuktu zu befreien. "Die Menschen sind sehr sensibel, was Texte angeht. Die Musik spielt in Mali eine lebenswichtige Rolle. Sie muss weitergegeben werden, genauso wie Bildung und Kultur", sagt Fatoumata Diawara. "Ich hoffe, dass Mali schnell befreit wird, damit wir weiter singen können, das Erbe unserer Vorfahren verteidigen und schützen können. Im Norden herrscht seit Jahren Chaos. Das muss aufhören."

Das Schicksal ihrer Heimat beschäftigt Fatoumata Diawara, dabei muss sie sich parallel noch um ihre kometenhafte Karriere kümmern. "Ich spüre eine große Verantwortung, noch härter zu arbeiten", sagt sie. Die Voraussetzungen waren alles andere als einfach. Diawara wuchs in Mali auf. Der Vater war Choreograf mit eigener Kompanie. Als junges Mädchen begeisterte sie sich für den Tanz. Seit sie 13 Jahre alt ist, tanzt, singt und schauspielert sie. "Mein Vater hat mich gelehrt, die Freiheit der Kreativität zu genießen", sagt sie. Später wollte er genau das unterbinden, die Tochter sollte etwas Anständiges lernen. Sie wurde zu einer Tante gebracht, doch die war ausgerechnet Schauspielerin und eröffnete Diawara wieder neue kreative Welten.

Als die Eltern ihr die Teilnahme an einem Straßentheater verboten, flüchtete sie Anfang der 1990er-Jahre nach Paris. "Ich wollte mich emanzipieren, frei sein. Dafür musste ich weggehen. Ich kam nach Paris mit nichts. Ich rasierte mir die Haare und fing bei null an." Sie hatte Glück. Schnell begegnete sie den richtigen Künstlern, die ihre Talente entdeckten. Sie spielte Theater, unter anderem die "Antigone", Kinorollen wie in "La Genèse" und ergatterte sogar eine Hauptrolle im Musical "Kirikou et Karaba". Damon Albarn von der britischen Band Blur rekrutierte sie für seine "Africa Express"-Konzerte. Diawara brachte sich das Gitarrenspiel bei und komponierte eigene Lieder, die so wundervoll weise und vollendet klingen, als hätte sie ihr ganzes Leben lang nichts anderes getan.

Nach sechs Jahren Funkstille hat Fatoumata Diawara seit Kurzem auch wieder Kontakt zu ihrer Familie. "Aus Liebe zu Mali müssen wir lernen, zusammenzuleben. Echte Bürger zu sein, das Land entwickeln in Bildung, Ökonomie und Ökologie." Dieser in vieler Hinsicht außergewöhnlichen jungen Frau traut man das sofort zu.

"Around the World": Fatoumata Diawara Do 7.2., 20 Uhr, Laeiszhalle, Johannes-Brahms-Platz, Karten 10 Euro bis 39 Euro;

"Little Sun": Blackout Night Do 7.2., 21.30 Uhr, Laeiszhalle, Karten 10 Euro oder Kombitickets inklusive Konzert 20 Euro bis 49 Euro