In dem ZDF-Krimi “Die Kronzeugin“ überzeugen Iris Berben und Melika Foroutan als Polizistin und Schutzbefohlene.

Damit der Zuschauer auch mit halb geschlossenen Lidern erkennt, dass es sich bei "Die Kronzeugin" um einen lupenreinen Krimi handelt, hat der Sender den Titel um "Mord in den Bergen" ergänzt. So viel Umsicht ist natürlich eine feine Sache. Erst recht, weil sich der Film von Regisseurin Christiane Balthasar darüber hinaus nicht gerade überschlägt, alle Karten auf den Tisch zu legen und das Publikum durch den kniehohen Lügensumpf und das Identitäten-Bäumchen-Wechsel-Dich zu navigieren.

Evelyn Frank ist zum Beispiel so eine Figur, der man nicht mal den eigenen Vornamen glaubt. Früher Chefin eines Luxusbordells und jahrelang in Menschenhandel und Zwangsprostitution verwickelt. Nun will sie als Kronzeugin gegen ehemalige Geschäftspartner aussagen, das BKA verschafft ihr im Gegenzug eine neue Identität und forscht nebenher nach 15 Millionen Euro, die Frank angeblich hat verschwinden lassen.

Es ist natürlich immer ein Gewinn, wenn eine Bundesliga-Schauspielerin wie Iris Berben eine solche Rolle übernimmt. Auch dieser Film lebt vor allem von Berbens Eisköniginblick, von ihrem Drahtseiltanz zwischen müder Verzweiflung und illuminierter Grausamkeit. Kann man ihr trauen, ist sie in Gefahr? Oder bastelt sie an einem Plan, der so abgezockt ist, dass selbst Profipolizisten mit den Ohren schlackern?

Melika Foroutan, die bereits in der Krimireihe "KDD - Kriminaldauerdienst" überzeugend eine Hochleistungspolizistin ohne nennenswertes Privatleben gegeben hat, besitzt genau die nötige Frische und unaufgesetzte Intensität, die es dem Zuschauer leicht macht, mit der von ihr gespielten Kommissarin Ines Meder durch das bayerische Bergidyll mit Schneehäubchen zu stapfen. Ein bisschen angewidert von der Skrupellosigkeit der Schutzbefohlenen und gleichzeitig fasziniert von ihrer Kompromisslosigkeit. Sie wolle lieber einen Tag Tiger sein als 1000 Tage Schaf, sagt Evelyn Frank. Und nach diesem Motto lebt sie auch. Mit spielerischer Leichtigkeit gleitet die Ex-Bordellherrscherin in ihr neues Leben hinüber. Kellnert im Ausflugslokal und haust im rustikalen Bauernzimmer.

Und während sich die beiden Frauen täglich näherkommen, in eine Art Mutter-Tochter-Beziehung finden, weiß der Zuschauer längst, dass etwas gehörig schiefgegangen sein muss bei diesem Einsatz. Klingt doch in den ersten Minuten Ines' Stimme aus dem Off: "Mein 34. Geburtstag sollte mein letzter sein. Wenige Tage später war ich tot." Wer einen 08/15-Krimi im "Großstadtrevier"-Stil erwartet, ein Verdächtiger hübsch nach dem anderen und am Ende klicken die Handschellen, ist hier also falsch. Der Film, zu dem der Autor Friedrich Ani die Idee geliefert hat, erzählt von Figuren, die sich in ihren Lügen verheddert haben und auf hauchdünnem emotionalem Eis agieren. Am Ende bricht einer ein.

"Die Kronzeugin" ist gute Unterhaltung. Seine Hauptdarstellerinnen sind besser.

"Die Kronzeugin - Mord in den Bergen", heute, 20.15 Uhr, ZDF