Fotograf Michael Järnecke verfremdet “Fahrten - Passanten“ durch lange Belichtungszeiten

Galerie Garde. "Wir sind alle Reisende", sagt Michael Järnecke. Der Fotograf blickt auf sein Werk mit dem schönen Namen "Nachtfahrt, Freihafen, Versmannstraße bis Poggenmühle, 6 Min. 20 Sek.". Wer ohne den Hinweis gebenden Titel das Bild anschaut, der wird lange rätseln, wie es entstanden sein mag. Wurde ein heller Himmel fotografiert? Kondensstreifen zahlloser Flugzeuge scheinen die Atmosphäre zu durchkreuzen. Am Horizont verknäulen sie sich zu dunklen Fäden.

Doch die Schlieren gehören nicht zum Luftraum, sondern zum Autoverkehr. Järnecke hat sich zum Ziel gesetzt, Strecken, die zum Hamburger Verkehrsalltag gehören, mittels Langzeitbelichtungen in Szene zu setzen. Die Idee dazu kam ihm beim Betrachten alter Kupferstiche: "Die Stadtansichten des 19. Jahrhunderts zeigen Orte immer von einem Winkel, aus dem jeder Kirchturm und der ganze Umfang der Metropole zu erkennen ist." Maler hätten sich damals auf dem Weg zu einer Ortschaft eine höher gelegene Stelle gesucht, um von dort aus die gesamte Szenerie auf einem einzigen Bild darzustellen.

Järnecke hat sich gefragt, ob solche Abbildungen heute noch geschaffen werden können. Mit der analogen Großformatkamera in seinem Auto machte er während der Fahrt Aufnahmen durch die Windschutzscheibe und porträtierte den Alltag auf der Straße, "das, womit man zu tun hat, ohne darüber nachzudenken".

Der zweite Teil der Ausstellung in der Galerie von Brigitte Garde widmet sich den Fußgängern. In "beiläufige Fotografien" gehen Passanten über Kreuzungen. Mal sind die schwarz-weißen Körper geisterhaft durchsichtig, dann wieder versteckt hinter Unschärfen.

Durch lange und mehrmalige Belichtungen sowie das Verwischen und Krümmen der Ansicht (beispielsweise durchs Abbiegen) entstehen überraschende und unwirkliche Impressionen. Wer sich auf der Holzbank hinter der Fensterfront der Eimsbütteler Galerie niederlässt und die großformatigen Bilder betrachtet, der bekommt ein Gefühl vom rasenden Fluss der Stadt. Dazu gesellt sich wie als Begleitung das sanfte Rütteln der U-Bahn unter dem Gebäude.

Michael Järnecke "Fahrten - Passanten. Ein Hamburg Projekt", bis 2.3., Di-Fr 12.00-19.00, Sa 11.00-15.00 u. n. V., Galerie Brigitte Garde (U Osterstraße), Stellinger Weg 22, T. 43 28 29 30