Daniel Cohn-Bendit, Janusz Reiter, Michael Naumann und Gesine Schwan diskutierten über Identität, Geschichte und Zukunft von Europa.

Hamburg. Die Auftaktveranstaltung zur Dialogreihe "Bridging the Gap" im Thalia Theater hatten sich offenbar viele Zuschauer als spannend vorgestellt. Sie sollten nicht enttäuscht werden. Trotz des eher drögen Titels "Wo bleiben die Intellektuellen in der europäischen Krise?" war das Theater am Montagabend ausverkauft. Was die Diskutanten Daniel Cohn-Bendit (Mitglied des Europaparlaments), Gesine Schwan (Präsidentin der Viadrina Hochschule), Botschafter Janusz Reiter (Präsident des Center for International Relation in Warschau) und der ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann über Europa zu sagen hatten, war lehrreich, unterhaltsam und klar formuliert. Das Publikum reagierte kenntnisreich.

Das Projekt "Bridging the Gap", das seit 19 Jahren jüdische und palästinensische Kinder im Israel-Museum zu Kunstprojekten zusammenbringt, steht vorbildlich für Zusammenarbeit. Thalia-Intendant Joachim Lux fragte danach, wie sich die Zusammenarbeit in Europa gestaltet und welche historische Idee für Europa steht. Gesine Schwan antwortete: "Europa steht gegen Willkür und für Gewaltenteilung, es ist die Verbindung von Freiheit und Sicherheit und die Idee von der Würde des Menschen." Und: "Das Nationale muss überwunden werden." Kein Volk dürfe ein anderes kränken. Cohn-Bendit, wie immer ein amüsanter Redner, empfand, "Europa fängt bei Deutschland und Frankreich an" und sei nun der Raum, "in dem politischer Streit ohne Krieg ausgetragen werden kann". Europa war "200 Jahre Ort der Hybris", stöhnte Michael Naumann, was den polyglotten Cohn-Bendit animierte, über deutsche Miesmacherei zu lästern.

Janusz Reiter formulierte: "Es darf keine Verlierer geben", Deutschland würde derzeit recht hegemonial auftreten. Auch Gesine Schwan mokierte sich über deutsche Besserwisserei etwa beim Thema Griechenland: "Man darf ein Volk nicht kränken." Sie plädierte für gemeinsame europäische Projekte in der Energiepolitik. Janusz Reiter empfahl eine "gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik", Daniel Cohn-Bendit fragte sich, wozu es in Europa 1,5 Millionen Soldaten gebe. Er empfahl ein europäisches Grundgesetz und ein "Erasmus-Programm für jeden, der es wolle. Ein Jahr im Ausland arbeiten, das würde uns näher zusammenbringen."

Als Janusz Reiter bemängelte, Europa sei zu sehr von der Idee des Kaufens und Verkaufens durchdrungen, gab's Applaus. "Wie können wir stark bleiben?" wurde gefragt, denn Cohn-Bendit wusste: "In 30 Jahren wird kein europäisches Land mehr Mitglied der G8-Staaten sein."