70 Jahre nach dem Feuersturm zeigt die BallinStadt eine Ausstellung über die “Operation Gomorrha“ und deren verheerende Folgen.

Hamburg. Was mögen Kriegsgefangene im Sommer 1943 empfunden haben, wenn sie das Geräusch der sich nähernden Bomberverbände hörten? Ganz sicher hatten sie Todesangst, denn sie waren mehr gefährdet als ihre deutschen Bewacher, weil ihnen keine Luftschutzräume zur Verfügung standen. Aber sie werden auch registriert haben, dass diejenigen, die Macht über sie hatten, auf einmal selbst ohnmächtig und bedroht waren und Todesängste litten. In den ehemaligen Auswandererhallen auf der Veddel waren Kriegsgefangene aus Frankreich und Belgien interniert, am Dessauer Ufer Menschen aus der Sowjetunion, Polen und anderen osteuropäischen Ländern, die dort unter noch unmenschlicheren Bedingungen leben mussten. Auch sie wurden Opfer des Feuersturms, den die britische Royal Air Force 1943 über Hamburg entfachte.

70 Jahre nach der Zerstörung Hamburgs zeigt das Auswanderermuseum BallinStadt ab heute eine Ausstellung, die an die "Operation Gomorrha" erinnert, dabei aber vor allem die Auswirkungen des britischen Bombardements auf die Elbinseln thematisiert. Damit widmet sich das Auswanderermuseum zugleich einem bisher nur wenig beleuchteten Kapitel der eigenen Vorgeschichte.

Die Ausstellung, die in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und dem Mahnmal St. Nikolai entstand, beschränkt sich jedoch nicht auf Bombenkrieg und Feuersturm, sondern zeichnet die Situation während der gesamten Kriegszeit nach. Die 1901 von der Hapag eröffneten Auswandererhallen hatten Anfang der 1930er-Jahre ihre ursprüngliche Funktion immer mehr verloren. Ganz am Schluss dieser Phase kam es noch zu einem merkwürdigen Nebeneinander: Während die letzten jüdischen Auswanderer 1934 noch auf ihre Schiffe warteten, zogen bereits SS-Leute in einige der Baracken ein, die nun als Kasernen dienten. Nach Kriegsbeginn wurde das "Überseeheim" dann in ein Kriegsgefangenenlager umgewandelt, in dem bis zu 2500 Menschen interniert waren.

Die Berichte von Zeitzeugen bilden ein wichtiges Element der Ausstellung. So kann man aus dem Bestand der KZ-Gedenkstätte Neuengamme Video-Interviews mit ehemaligen Zwangsarbeitern sehen. Viele von ihnen wurden nach den Bombenangriffen zum Räumen der Trümmer innerhalb des Stadtgebietes eingesetzt. So wurden sie ganz unmittelbar Zeuge der Zerstörungen. Dokumentiert werden aber auch die Erinnerungen von deutschen Zeitzeugen, die damals auf den Elbinseln lebten. Besonders interessant sind zum Beispiel die Berichte der ehemaligen Leiterin der Bücherhalle Veddel, die sich bemühte, möglichst viele Zwangsarbeiter in ihrer Bibliothek arbeiten zu lassen, um ihnen damit das Leben wenigstens etwas erträglicher zu machen.

Zu sehen ist auch eine Reihe von originalen Dokumenten und Sachzeugen. Dazu gehören eine originale Feuerwehr aus der Kriegszeit, eine zerschmolzene Flasche, die aus den Trümmern von St. Nikolai geborgen wurde, eine "Volksgasmaske" samt Gebrauchsanweisung, eine verkohlte Spritze der Hamburger Feuerwehr und einige jener Stanniolstreifen, die britische Flugzeuge vor dem Angriff in großen Massen abwarfen, um die deutschen Radargeräte funktionsunfähig zu machen.

Eindrucksvoll ist die Inszenierung im abgedunkelten Hauptraum, unter dessen Decke Flugzeugsilhouetten zu sehen sind, die von den Lichtkegeln kreisender "Flakscheinwerfer" gestreift werden. Auf einer großen Projektionsfläche sind historische Filmsequenzen und Fotos von den schrecklichen Folgen des Feuersturms zu sehen. Viele der Bilder stammen aus dem Archiv von Hans Brunswig, dem Einsatzleiter der Hamburger Feuerschutzpolizei. Im Raum verteilt stehen stilisierte Figuren, auf denen kurze Erinnerungen von Augenzeugen zu lesen sind.

Das vermittelt zumindest ein Gefühl jener Bedrohung, der die Menschen damals ausgesetzt waren.

Aber im selben Raum finden sich auch Informationen über die Vorgeschichte und über die Eskalation des Luftkrieges, der schließlich dazu führte, dass ganze Städte im Feuersturm versanken. So erinnert die Schau auch daran, dass es deutsche Flugzeuge waren, die schon am ersten Tag des Zweiten Weltkriegs damit begonnen hatten, zivile Ziele zu bombardieren. Am 1. September 1939 warf die Deutsche Luftwaffe schon ab vier Uhr morgens Bomben über der polnischen Kleinstadt Wieluñ ab. Die Bilanz: etwa 1200 getötete Zivilisten.

Die Ausstellung in der BallinStadt kann sicher kein umfassendes Bild des Bombenkrieges nachzeichnen, aber mit der Dokumentation des Geschehens auf den Elbinseln leistet sie zu einem frühen Zeitpunkt einen wichtigen Beitrag zum diesjährigen Gedenken an die Zerstörung Hamburgs vor 70 Jahren.

"1943: Operation Gomorrha - das Bombardement auf den Elbinseln" BallinStadt, Veddeler Bogen 2, bis 31.3., 10.00-16.30 Infos im Internet unter www.ballinstadt.de