Die Staatsbibliothek erinnert an eine legendäre Hamburger Künstlerkneipe, in der sich Menschen die Freiheit des Redens nicht nehmen ließen.

Hamburg. Wer bei Tante Clara zu Gast war, dem wurde reiner Wein eingeschenkt. Im wörtlichen, aber eben auch im übertragenen Sinn, denn in der Künstlerkneipe trafen sich auch während der Nazizeit Menschen, die sich die Freiheit des Denkens und Redens nicht nehmen ließen. Jetzt erinnert die Stabi mit der Ausstellung "Treffpunkt bei Tante Clara" an die weitgehend vergessene Hamburger Kulturinstitution. Im Mittelpunkt steht Clara Benthien (1887-1962), die in Hamburg nicht nur als Gastwirtin, sondern auch als Raumgestalterin, Kunsthändlerin und Moritatensängerin bekannt war. Ihre Enkelin, die Künstlerin Nele Lipp, hat eine Ausstellung konzipiert, die mit Kunstwerken, Fotos und historischen Dokumenten die Geschichte von "Benthiens Weinprobierstube" lebendig macht.

Clara hatte 1912 den Hamburger Dekorationsmaler Hans Benthien geheiratet und war in die Hansestadt gezogen. Nach dem Ersten Weltkrieg gründete Benthien einen Spirituosenhandel, der im Keller von St. Nikolai untergebracht war. Mit dem Umzug nach Brandsende 1925 war daraus eine Künstlerkneipe geworden, in der Clara nicht nur für die Küche verantwortlich zeichnete. Im Gedicht eines unbekannten Autors wird sie "Hamburgs Sphinx" genannt. Die Wirtin diskutierte mit Künstlern, wurde selbst oft gemalt und trat als Kunsthändlerin hervor, zu später Stunde aber auch als Sängerin von Moritaten. Im Hinterzimmer konnte man Bilder von verfemten und verfolgten Künstlern kaufen, hier erfuhren auch bedrohte Juden Hilfe.

Der Verleger Ernst Rowohlt, die Schauspielerin Marianne Hoppe, der Physiker Werner Heisenberg, der Theologe Paul Tillich und die Kabarettsängerin Claire Waldoff gehörten zum Kreis der Gäste, die die unweit von Kunsthalle, Thalia Theater und Kammerspielen gelegene Kneipe zu schätzen wussten. Der heute weitgehend vergessene Maler Robert Schneller versah die Gasträume mit Bildern, die größtenteils verloren gingen, als 1944 auch Benthiens Weinprobierstube von Bomben getroffen wurde. Aus den Trümmern barg die Familie noch einige Kunstwerke, die jetzt in der Ausstellung gezeigt werden. Robert Schnellers 1931 entstandenes Gemälde "Heinrich Zille und Claire Waldoff", eine faszinierende Bildkomposition mit zahlreichen Zeitbezügen, darunter einer Hitler-Karikatur, ist leider nicht dabei. "Dieses Waldpaneel konnte zwar gerettet werden, ging aber 1968 bei einem Umzug verloren. Heute existiert nur noch ein Schwarz-Weiß-Foto davon", sagt Nele Lipp, die noch immer darauf hofft, dass es wieder auftauchen wird.

Treffpunkt bei Tante Clara. Hamburgs Sphinx. Ein Mikrokosmos des kulturellen Lebens 1928-1944. Bis 3. März, Stabi, Ausstellungsraum, Mo-Fr 9.00-21.00, Sa/So 10.00-21.00. Eröffnungsveranstaltung am heutigen Donnerstag 18.00