In Matti Geschonnecks Hauptstadtthriller “Tod einer Polizistin“ brilliert Götz George als Ex-Polizist neben starken Darstellern.

Als Polizist muss man seine Emotionen kontrollieren können. Ein Satz aus dem Lehrbuch für Polizeianwärter, der viel zu vernünftig klingt, um wahr zu sein. Schließlich setzt er voraus, der Mensch könnte sauber trennen zwischen Arbeit und Privatem, was von der Wirklichkeit immer wieder ad absurdum geführt wird. Ein Ermittler kann noch so theoriesicher sein: Wenn der Fall an wunde Punkte der eigenen Persönlichkeit rührt, ist es aus mit dem schönen Schein. Davon, wie ein Fall außer Kontrolle gerät, weil Emotionen ins Spiel kommen, erzählt der Thriller "Tod einer Polizistin" von Regisseur Matti Geschonneck.

Dabei geht es ausnahmsweise nicht darum, dass sich der Ermittler in die Verdächtige verliebt, überhaupt ist der ganze Film angenehm frei von romantischen Anflügen. Und doch erzählt er mehr über zwischenmenschliche Beziehungen, über Freundschaft und Einsamkeit, als viele andere Produktionen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, die ihre Emotionalität vor sich her tragen wie einen Sack Zement. "Tod einer Polizistin" beginnt mit der Flucht des Häftlings Frank Keller (Jürgen Vogel kriecht wie ein verprügelter Hund durch den Film), der seine Anwältin als Geisel genommen hat. 15 Jahre der lebenslangen Haftstrafe hat er bereits im Gefängnis verbracht nach dem Geständnis, eine Polizistin im Einsatz erschossen zu haben. Unschuldig, sagt er.

Nun will er Rache nehmen an jenem Mann, der mit seiner Aussage für seine Verurteilung gesorgt hat. Hauptkommissar Bruno Theweleit ist mittlerweile im Ruhestand und verkehrt nur noch als Gastdozent an der Polizeiakademie auf seinem früheren Terrain. Mehr Mythos als Mensch. Und so umgänglich wie ein tollwütiger Fuchs.

Götz George als Theweleit ist natürlich Mittelpunkt und Höhepunkt dieses Films, daraus macht Geschonneck kein Geheimnis. So großartig seine Mitspieler sein mögen - wenn George ins Bild tritt, ist ihm die Aufmerksamkeit des Zuschauers sicher. Keinen Wimpernschlag, keinen Schluck aus der angebrochenen H-Milch-Packung will man verpassen bei diesem Mann, der abstoßend und anziehend zugleich ist. Der Mitleid weckt und zur gleichen Zeit den sehnlichen Wunsch, per Knopfdruck aus seinem Blickfeld zu verschwinden. Vielleicht so gut wie sonst keinem Schauspieler gelingen George diese Wolf-im-Schafspelz-Rollen. Er löst Gänsehaut aus allein mit einem Samtaugen-Blick, hinter dem alles Böse dieser Welt flackert.

Für eindimensionale Bösewichte und vorhersehbare Krimiplots hat sich Geschonneck ohnehin nie interessiert. Ohne sich in die Kindheit der Protagonisten zu verbuddeln, auf der Suche nach psychologischen Erklärungsmustern, sind seine Figuren immer Gebrochene, Opfer der Verhältnisse, eines Augenblicks oder auch nur der eigenen Eitelkeit. Kein Wunder, dass man ihnen so gern zuschaut. Und auch kein Wunder, dass der Regisseur gerade für sein Gerichtsdrama "Am Ende einer Nacht" erneut für die Goldene Kamera nominiert wurde, nachdem er sie schon zweimal gewonnen hat. Geschonneck hält seine Zuschauer nicht für dumm, nur weil nebenan Fernsehverblödung aus dem australischen Dschungel versendet wird.

"Tod einer Polizistin" ist ein Hauptstadtthriller, der sich nicht auf berlintypische Bilder verlässt, sondern seine Figuren in Hinterhöfe, Schmuddelwerkstätten und leere Gleisabschnitte schickt. Ein kühl ausgeleuchtetes Werk, das spannend bleibt bis zum (im Gegensatz zum lakonischen Grundton und der Eleganz des restlichen Films etwas ruckeligen) Schluss; nicht etwa, weil es sich bei Keller um ein ausgekochtes Schlitzohr handelt, das den Ermittlern auf der Nase herumtanzt. Sondern weil nun die vielen Lügen, die einst fein säuberlich verbuddelt wurden, eine nach der anderen ins rechte Licht gerückt werden. Bald steht fest: Eine alte Geschichte muss neu geschrieben werden.

Allerdings interessiert sich keiner im Polizeipräsidium ernsthaft dafür, was vor 15 Jahren wirklich während des Einsatzes geschah, bei dem die Ermittlerin sterben musste. Nur die Nachwuchspolizistin Lena Frey, von den alten Waffenbrüdern im Kommissariat wegen ihres Übereifers belächelt, verbeißt sich in die Vergangenheit und gilt bald als Nervensäge vom Dienst. Dass Keller unschuldig sein könnte, diese anfangs abstruse Idee wird umso glaubhafter, je nervöser die Kollegen mit den Hufen scharren. "Sind Sie Kellers neue Anwältin?", bellt ihr Vorgesetzter. "Ich bin nur nicht so für Ungerechtigkeit", sagt Rosalie Thomass als Lena Frey, neben George das zweite Kraftzentrum des Films. Thomass spielt ohne Schnörkel und Überhöhung, sie läuft mit geradem Rücken durch diesen Film. Die Begegnung mit Theweleit beginnt als ungleiches Duell, in dem die junge Frau wie ein Schulmädchen wirkt. Und endet damit, dass sie ihn schachmatt setzt.

Man darf über "Tod einer Polizistin" natürlich nicht schreiben, ohne den Autor Magnus Vattrodt zu loben. Etwa für Dialoge wie diesen: "Sie sind doch bloß sauer, weil sie nicht mitspielen dürfen", sagt Frey zu Theweleit. "Keine Sorge, ich spiele mit", erwidert dieser. Ein Film, der solche Sätze hat, braucht eigentlich keine Schusswechsel mehr.

"Tod einer Polizistin", heute, 20.15 Uhr, ZDF