Die Finalisten der Castingshow “The Voice of Germany“ machten zum Tourauftakt in der Hamburger O2 World eine ganz passable Figur

Hamburg. Das Gerücht schien sich zu verfestigen: Fernsehgucker und Konzertgänger sind zwei recht unterschiedliche Spezies. Zu belegen ist die These schon seit Jahren mit einschlägigen Namen: Daniel Küblböck, Alexander Klaws, Max Mutzke, Stefanie Heinzmann und dann zuletzt auch noch Lena Meyer-Landrut. Bundes-Lena. Das mädchenhafte Wunder, ausgerechnet aus Hannover. Alle hoch platziert in diversen Casting-Formaten des TV, ihre anschließenden Tourneen aber changierten zwischen "enttäuschend" und "katastrophal", das nach Millionen zählende Publikum ihrer TV-Auftritte wollte sie einfach nicht live auftreten sehen.

Da machte der Abend des vergangenen Donnerstags eine Ausnahme, am Ende aber keine rühmliche. Als erste Stadt der Republik durfte Hamburg die Finalisten von "The Voice Of Germany" begrüßen, standesgemäß in der O2 World. Und siehe da: Die Reihen waren dicht geschlossen, knapp 10.000 Menschen wollten - ausnahmsweise - ihre Casting-Heroen tatsächlich live auf einer Bühne erleben. Was durchaus der Jury dieser Show zu schulden sein könnte, denn Rea Garvey, Nena, Xavier Naidoo sowie Alec Völkel und Sascha Vollmer von The BossHoss hatten ihre Schützlinge dankenswerterweise ein bisschen anders behandelt, als dies etwa bei DSDS der Fall gewesen war. Mit Respekt (ohne gelispeltes 'S'), mit viel Sympathie. Da saß kein Fiftysomething mit Botoxgrinsen, der seine Midlife-Crisis mühsam zu bewältigen suchte, indem er 17-jährige Mädchen feixend dazu brachte, öffentlich dicke Krokodilstränen zu weinen.

Das ernsthaft Freundliche der TV-Show aber, es übertrug sich kaum einmal auf die Bühne. Natürlich wäre es besser gewesen, man hätte jeden der acht Finalteilnehmer eine sensibel gebuchte Tournee durch die Klubs des Landes machen lassen, aber daran hätten dann ja die Macher des Mega-, wenn nicht gar Giga-Events von Sat.1 und ProSieben nichts verdient. Also scheuchte man Michael Lane, Brigitte Lorenz, Isabell Schmidt, Michael Heinemann, James Borges, den Finalsieger Nick Howard, Rob Fowler und Gil Ofarim, der als Ersatzmann für die leider ausgestiegene Freaky T nachnominiert wurde, ins Rennen. Vor einer sehr professionellen Band durfte jeder von ihnen zwei, drei Songs zum Besten geben. Und damit die Chose nicht zu larmoyant geriet, gab es hübsche Doppel und auch ein paar fast schon überraschende Coverversionen. Alles nach dem etwas abgewandelten Motto des Sportreporters Sammy Drechsel: Acht Freunde müsst ihr sein. Ohne große Kulisse, ohne allzu viel Licht ließ also Rob Fowler seine Halfspeed-Version von Jackos "Billie Jean" hören und fanden Brigitte Lorenz und James Borges zum Duett mit Nina Simones "My Baby Just Cares For Me". Gil Ofarim wiederum gedachte nicht, als Nachzügler zur Staffage zu werden und sang einen eigenen Song, der ihn dann doch sogleich wieder zur Staffage werden ließ. Das Auditorium im vorsichtshalber voll bestuhlten Hause klatschte artig mit, Enthusiasmus aber sieht anders aus. Zwischendurch immer wieder Einspieler aus der TV-Show, damit man auch nach knapp zwei Stunden noch weiß, weshalb man eigentlich hier ist.

"Nick war auch so beeindruckend", kommentiert Nena den späteren Sieger des Casting-Marathons via Screen, "weil er so schlicht war". Man möchte unwillkürlich nicken, zumal Nena mit Schlichtheit langjährige Erfahrungen für sich geltend machen kann.

Am Ende bleibt festzustellen: "The Voice Of Germany" ist ein TV-Format, weshalb sich die dort zugelassene Musik diesem Format auch ohne wenn und aber unterzuordnen hat. Das ist nicht weiter schlimm. Aber dem Format dienende Musik hat noch niemals etwas mit Kunst oder Kreativität zu tun gehabt, was an diesem Abend spürbar wurde. Acht brauchbare bis gute Stimmen sowie hie und da ein bisschen Talent zum Entertainer sind noch keine Dramaturgie.

Und noch etwas: Einem Format sind seit 50 Jahren keine dauerhaft erfolgreichen Superstars mehr entwachsen. Bestenfalls Sternchen. Wobei es vermutlich und durchaus auch glücklicherweise - Gott sei Dank wäre vermessen - bleiben dürfte.