Sol Gabetta und Hélène Grimaud geben einen Duoabend für Cello und Klavier vom Allerfeinsten und harmonierten wie aus einem Guss.

Hamburg. Zwei Stars machen Kammermusik, das kommt in der Wahrnehmung der interessierten Öffentlichkeit immer noch einer Sensation gleich. Als wäre Herablassung im Spiel, wenn jemand vom Solistenpodium herabsteigt und sich unter Gleiche begibt. Dabei gibt es kaum einen klassischen Musiker, der die Kammermusik nicht zu seinen großen Leidenschaften zählen würde.

In der Laeiszhalle war nun gerade ein illustres Duo zu hören, nämlich die argentinische Cellistin Sol Gabetta und die Französin Hélène Grimaud am Klavier. Gabetta ist in jungen Jahren schon eins der zugkräftigsten Pferde im Klassikbetrieb: eminent begabt, temperamentvoll im Spiel, entzückend anzusehen und von einem lateinamerikanischen Charme, der selbst den bärbeißigsten Teutonen auf der Stelle entwaffnet. Ihr Auftritt im Großen Saal hatte indessen weniger von dem gutgelaunt Ponyhaften, das in der Vergangenheit gerne mal ein blond wippender Pferdeschwanz unterstrich, und dafür mehr Erdung.

Sie standen ihr gut, diese Spuren der Reife. Und verbanden sich prima mit ihrer Duopartnerin. Grimaud ist als Solistin so erfolgreich wie Gabetta, ist aber, obgleich in ihrer Heimat als "la belle Hélène" bekannt, von spröderer Ausstrahlung. Doch siehe da, im Verein mit Gabetta zeigte sie ein geradezu mädchenhaft weiches Lächeln.

Wer auch immer auf die Idee gekommen ist, die beiden zusammenzuspannen - die Künstlerinnen behaupten, es sei eine Zufallsbegegnung gewesen -, sie hat gezündet. Mit sichtlichem Vergnügen gingen sie auf eine Klangreise von der deutschen Romantik bis in die klassische Moderne. Wie aus einem Guss spielten sie, als wären sie seit Langem ein eingeschworenes Team.

Wohltuend war vom ersten Takt an, dass die Musikerinnen auf jede Effekthascherei verzichteten. Schumanns Fantasiestücke op. 73 sind intime Miniaturen, werden aber häufig für ein klangliches Schaulaufen vereinnahmt. Keine Spur davon bei Gabetta und Grimaud: Sie leuchteten diskret in die Winkel; sie ließen die Musik atmen und die Stimmungen auf kleinstem Raum wechseln. Schon Grimauds Beginn, tastend, aus dem äußersten Pianissimo heraus, war ein Erlebnis.

Er hätte noch berührender werden können, wenn wirklich Stille im Raum geherrscht hätte. Es war mehr als ärgerlich, dass der Geräuschpegel aus Husten, Röcheln, halblautem Reden und (diversen!) Handytönen kaum je unter Mezzoforte-Niveau sank. Sollten dem zahlungskräftigen Publikum des hochpreisigen Veranstalters Pro Arte die einfachsten Regeln der Höflichkeit unbekannt sein? Offenkundig gibt es immer noch Hörer, die sich entweder nicht klarmachen, dass ein guter Konzertsaal nicht nur Klänge, sondern eben auch ihre Lebensäußerungen in jeden Winkel transportiert, oder die, schlimmer noch, den Frosch im eigenen Hals wichtiger finden als die besondere Atmosphäre, die durch das gemeinsame Hören entsteht. Man könnte auch schlicht vom fehlenden Respekt vor der Kunst sprechen.

Andere Musiker schleudern in solchen Fällen vernichtende Blicke oder verlassen gar die Bühne. Die beiden Damen indessen nahmen's mit Humor und ließen sich nicht daran hindern, sich in die Musik zu vertiefen. In wenigen Takten der e-Moll-Sonate von Brahms eröffneten sie ein Universum: Ganz karg strich Gabetta den dunklen, tiefen Beginn, um dann, in der Höhe angekommen, im vollen Wohlklang fortzufahren. Ihr differenzierter Umgang mit dem Vibrato zeugt von ihrer Beschäftigung mit der historischen Aufführungspraxis und zugleich davon, dass es Musik aus allen Epochen zuträglich ist, wenn man über solche Nuancen verfügt: Es wirkt zum Anfassen lebendig, wenn Passagen fast schnurgerade gezogen werden, andere wie gesungen klingen und wieder andere vor Vibrato unter Strom zu stehen scheinen.

Von den Feinheiten in der Artikulation gar nicht zu reden. Gabetta kann auf ihrem Cello kichern und flattern, sie kann Eisflächen erzeugen und südliche Wärme. Die Perfektion ihrer Bogenbeherrschung zeigte sich besonders, wenn sie langsam und leise Richtung Frosch strich: Da zickte und ruckte nichts. Nur ihren erschreckend definierten Oberarmmuskeln sah man an, dass es Schwerarbeit war, den Klang ihres wunderbaren Cellos im doch sehr großen Saal zu entfalten. Die tiefen Passagen waren nicht alle genau zu verstehen.

An der Balance lag es nicht. Grimaud spielte nie zu laut. Wie Gabetta führte sie eine erstaunlich breite Palette von Klangfarben und Tongestalten vor: von mondweicher Legatobegleitung bis zu gestochen scharfen Figuren wie in der Fuge im letzten Satz der Brahms-Sonate.

Eine kostbare Rarität des Repertoires war die Cellosonate von Debussy. Die nahmen die beiden ohne impressionistischen Zuckerguss, dafür aber wie eine Erzählung. Da huschten Kobolde und flüsterten Prinzessinnen, und Gabetta entlockte ihren Saiten die Debussyschen Girlanden mit der gleichen Lässigkeit wie Grimaud dem Klavier.

Die abschließende Cellosonate von Schostakowitsch kam zunächst fast romantisch-schwelgerisch daher. Erst im zweiten Satz zeigten sich jene schrägen Zwischentöne, die so erschütternd an das Leid des Komponisten unter der stalinistischen Verfemung erinnern.

Und nach diesem Monsterprogramm beschenkten die beiden das jubelnde Publikum auch noch mit drei Zugaben. In der Tat: Von diesem Duo möchte man immer noch mehr hören.